Hammelburger-Album

Jüdisches Leben

Arnold Hamburger war jüdischer Viehhändler.  Er wurde am 25. Juni 1882 in Hammelburg geboren. Seine Eltern waren Maier und Fanny Hamburger, geb. Frankenthaler. Maier wurde am 18.10.1855 in Hammelburg geboren.  Er war ein Sohn des Emanuel Hamburger (1813 – 1896).
Arnold heiratete 1911 Bertha Strauß. Sie war eine Viehhändlerstochter aus Niederstetten in Württemberg, geboren am 26.10.1888.  Ihr Vater hieß Moses Strauß aus Niederstetten. Dem Ehepaar Arnold und Bertha  wurden drei Kinder geboren: Babette Ilse (*19.03.1912); Enny (*02.12.1914) und Erich Emanuel (*26.12.1917).
Als das Dritte Reich begann, war auch Arnold Hamburger von schwerer Bedrückung betroffen.  Ab April 1933 wurden die jüdischen Viehhändler  von den Viehmärkten ausgeschlossen. Die Bauern durften mit jüdischen Viehhändlern keine Geschäfte mehr abzuschließen. 1936 entzog das Bezirksamt Hammelburg Arnold Hamburger die Handelslizenz.  
1938 wurde er gezwungen, sein Elternhaus in der Kirchgasse 1 und den gesamten Grundbesitz unter Wert zu  verkaufen.  Arnold Hamburger besaß Äcker und Wiesen, die vor allem im „Kirchgrund“ lagen.  Die Wiesen gingen durch die Hände von Zwischenkäufern an die Stadt Hammelburg über.
Die Stadt errichte 1939 im „Kirchgrund“ auf dem ehemals jüdischen Grundbesitz eine „rein-arische“ Kleinhäusersiedlung, die Rudolf-Berthold-Siedlung genannt wurde. Nach Kriegsende wurde die Siedlung in „Kirchgrundsiedlung“ umbenannt.
Arnold Hamburger floh am 7. März 1938 mit seiner Familie nach Berlin-Wilmersdorf (Nürnberger Straße 35/37). Am 14.07.1939 erfolgte von Berlin aus mit Ehefrau Berta und Sohn Erich die Emigration in die USA, zunächst nach Chicago. 1940 wohnte die Familie in New York City (Assembly District 21).
Arnold Hamburger starb 1964 im Alter von 82 Jahren. Berta verstarb 1976 in New Buffalo/Michigan (USA). Sie wurde 88 Jahre alt. Sohn Erich (Erick), der Konditor war, verstarb am 11. März 1991 am selben Ort wie seine Mutter. Das „Haus Hamburger“ in Hammelburg am Buttenmarkt, erbaut um die Jahrhundertwende von Maier Hamburger (1855 – 1921), ist heute im Besitz der Stadt Hammelburg.

Quellennachweis: Karl Stöckner, Fundmateralien zu einstmaligen jüdischen Bürgern Hammelburgs, Stadtarchiv Hammelburg; www.archives.com;

Historische Recherche für den Geschichtskreis Hammelburg von Petra Kaup-Clement, Haar

Hans Ludwig Stühler wurde am 15. 07. 1928 in Schweinfurt geboren. Er war der Sohn des jüdischen Weinhändlers Max Stühler und seiner Ehefrau Paula, geb. Lion, die in Hammelburg in der Dalbergstraße 49 wohnten und dort in der früheren Judengasse (heute Dalbergstraße) bis 1938 zuhause waren.
Stammbaum Familie StuehlerDie Stühlers waren eine alteingesessene jüdische Familie der Stadt Hammelburg. Um 1811/1817 gab sich der in Hammelburg wohnende Aaron Moses (1783 – 1861), der von Beruf Viehhändler war, den neuen bürgerlichen Familiennamen „Aaron Stühler“.  Sein Sohn Moses (*1823) heiratete die Viehhändlerstochter Sara Stiefel aus Hammelburg.  Drei ihrer Söhne – Abraham (*1852), Bernhard (*1856) und Levi (*1861) - blieben in Hammelburg wohnen, andere Kinder des Moses und der Sara  ließen sich in Untererthal nieder.
Foto: P. Kaup-ClementMax Stühler (*1891) war ein Sohn des Levi. Sein Elternhaus war die Alte Postgasse 251 (heute Josef-Schultheiß-Straße 8). Nicht unweit davon entfernt, in der Dalbergstraße 49, ließ sich Max Stühler mit seiner Familie nieder. Zeitzeugen aus Hammelburg erinnern sich an ihren Klassenkameraden Hans Stühler, der 1934  in die alte Volksschule Hammelburg eingeschult wurde.
Die gemischte Klasse wurde von der kath. Ordensschwester Clementine geführt. Diese sorgte dafür, dass die beiden jüdischen Buben der Klasse – Hans Stühler und Manfred Straus – zumindest in der Schule nicht geärgert wurden. Aber die HJ in Hammelburg, so berichten Zeitzeugen, drangsalierte die jüdischen Jungen trotzdem schwer. Manfred Straus wurden eines Tages auf dem Nachhauseweg die Zähne ausgeschlagen.
Die jüdischen Kinder der Stadt waren seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten bösen Drangsalen und Beschimpfungen ausgesetzt. Zum Spielen zogen sie sich zurück in den großen Innenhof der Hammelburger Synagoge, der ganz in der Nähe der Dalbergstraße 49 lag. „Hinter einem Tor verschwanden die jüdischen Kinder in den Synagogenhof und spielten unter sich“, erinnern sich Zeitzeugen.
Am 20. Oktober 1938 hat der zehnjährige Hans Stühler mit seinen Eltern Max und Paula Stühler Hammelburg verlassen und ist nach Frankfurt a. M. umgezogen in die Stegstraße 79 (Sachsenhausen-Nord). Am 17. Mai 1939 war die Familie noch in Frankfurt ansässig, wie aus einer Volkszählung der Stadt Frankfurt hervorgeht. Danach verliert sich die Spur von Hans und seinen Eltern Max und Paula.
Historiker gehen davon aus, dass sie Opfer des Holocaust wurden. In den Jahren 1941/1942 wurden zehn Deportationen von Frankfurt a. M. durchgeführt in die Ghettos Lodz, Minsk, Kowno, Raasiku, Theresienstandt und in das Vernichtungslager Sobibor.  Die Zahl der in diesen Jahren aus Frankfurt Deportierten betrug 7.829. Nur sehr wenige überlebten. Einer von ihnen war Bernhard Adler (* 18. 08. 1873) aus Westheim/Hammelburg.

Quellen: Stadtarchiv Hammelburg, Karl Stöckner; Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt a. M.; Staatsarchiv Würzburg, Akten der Spruchkammer Hammelburg; Zeitzeugen aus Hammelburg.

Historische Recherche für den Geschichtskreis Hammelburg von Petra Kaup-Clement, Haar

Anwesen Dalbergstraße 49 - hier wohnte die Familie StühlerVon der jüdischen Familie Max Stühler mit Ehefrau Paula, geb. Lion und Sohn Hans (geb. 1928), wohnhaft in Hammelburg in der Dalbergstraße 49 bis Oktober 1938, fehlt jede Spur.
Weder das Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz noch die Yad Vashem Data Base nennen Max, Paula und Hans Stühler als Opfer des Holocaust.
Nach übereinstimmender Aussage der Überlebenden des Holocaust, Erika Bander (+ 2010) und Alfred Stühler (in Wien lebend), ist Max Stühler mit seiner Familie nicht emigriert.
Die Familie ist nach Kriegsende nicht mehr aufgetaucht und muss im Holocaust verschollen sein.
 
Nach Aufzeichnungen des Stadtarchivs Hammelburg (Dokumentation von Karl Stöckner) ist Max Stühler mit Ehefrau Paula und Sohn Hans am 20. 10. 1938 nach Frankfurt a. M. umgezogen.
Die jüdische Familie wohnte ab diesem Zeitpunkt, ab 20. Oktober 1938, in Frankfurt a. M. in der Stegstraße 79, im Stadtteil Sachsenhausen-Nord in der Nähe des Südbahnhofs.
In der Volkszählung vom 17. 05. 1939 der Stadt Frankfurt a. M. sind Max, Paula und Hans Stühler, laut Dokumentation des Jüdischen Museums Frankfurt, noch erfasst. Dann verliert sich ihre Spur.

Wer in Hammelburg hat Kenntnis zum Verbleib der Familie Max Stühler, Dalbergstraße 49?

Max Stühler war jüdischer Weinhändler. Er wurde am 20. 02. 1891 in Hammelburg geboren. Sein Bruder war Arnold Stühler (1889 - 1935).
Ihre Eltern waren: Levi und Hannchen Stühler, geb. Schild. Die Familie wohnte in der "Alten Postgasse", alte Haus - Nr. 251 (heute Josef-Schultheiß-Straße 8).
Levi Stühler wurde am 23. 02. 1861 in Hammelburg geboren. Seine Eltern waren Moses und Sara Stühler, geb. Stiefel.
Levi Stühlers Kinder waren: Arnold (*1889); Max (*1891) und Alfred (1895 - 1911). Das Elternhaus war die Josef-Schultheiß-Straße 8.
Vater Levi starb am 21. 11. 1915. Die Grabstätten von Levi und Hannchen Stühler im Jüdischen Friedhof Pfaffenhausen sind nicht mehr identifizierbar.
Wer hat Kenntnis zum Verbleib von Max Stühler mit Ehefrau Paula, geb. Lion und Sohn Hans (geb. 1928 in Hammelburg)?
Vgl. http://www.victims-of-holocaust-hammelburg.de/hammelburg-2.html

Historische Recherche für den Geschichtskreis Hammelburg von Petra Kaup-Clement, Haar

Ein Bericht von Frauke Steinhäuser, Hamburg und Petra Kaup-Clement, München-Haar


Betty Frank, geb. Levi, geb. am 3.9.1894 in Unterriedenberg/Bayern, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, von dort deportiert nach Auschwitz, dort am 28.10.1944 ermordet.

Siegfried Heinrich Frank, geb. am 29.2. bzw. 1.3.1892 in Willmars/Bayern, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, von dort deportiert nach Auschwitz, dort am 28.9.1944 ermordet.


1936 waren Betty und Siegfried Frank aus der kleinen unterfränkischen Stadt Hammelburg nach Blankenese gezogen, das damals noch kein Stadtteil Hamburgs war, sondern Teil der selbstständigen preußischen Stadt Altona. Die antisemitischen Diskriminierungen und Verfolgungen in Hammelburg waren für die jüdische Familie Frank lebensbedrohlich geworden. Sie hofften, in Norddeutschland wieder Luft zum Atmen zu finden.

Betty Frank war 1894 als Tochter des israelitischen Religionslehrers Emanuel Levi und seiner Frau Jettchen in  Unterriedenberg bei Bad Brückenau zur Welt gekommen. Von den rund 300 Einwohnern des Dorfes waren fast ein Drittel jüdischen Glaubens. Es gab in Unterriedenberg eine Synagoge, ein rituelles Bad und eine jüdische Schule; die meisten Juden des Dorfes lebten vom Viehhandel.

Siegfried Frank kam aus Willmars in der Rhön. Auch hier gab es seit dem 18. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde. Siegfrieds Vater war der Kaufmann Abraham Frank; seine Mutter hieß Regina. Beide hatten 1889 in Willmars geheiratet. Im Jahr darauf bekamen sie eine Tochter, die sie Ida nannten. Sie wurde jedoch nur sechs Monate alt. Dann kamen die Zwillinge Siegfried und Babette zur Welt. Siegfrieds Schwester starb aber mit drei Jahren. Im November 1893 wurde Tochter Paula geboren. Regina Frank starb 1910 im Alter von 45 Jahren. Daraufhin heiratete Siegfrieds Vater erneut, seine zweite Frau hieß Amalia, genannt Mali oder auch Malchen. Sie stammte aus Dittlofsroda.

In Willmars heirateten auch Siegfried und Betty Frank im Jahr 1920. 1921 kam Sohn Paul zur Welt. Im Februar 1924 zog die Familie von Willmars nach Hammelburg. Dort übernahmen sie in der Weihertorstraße 5 das Manufakturwaren-Geschäft des jüdischen Kaufmanns Max Stühler. Es war ein Geschäft für Kurz- und Weißwaren, Wäsche, Stoffe und Bekleidung.

Siegfried Frank behielt den in Hammelburg vertrauten Geschäftsnamen „Max Stühler Nachf.“ bei und ergänzten ihn durch den Zusatz „Inh.: Siegfried Frank“. Zu der Zeit war Betty Frank erneut schwanger: Die kleine Regina Ruth kam zweieinhalb Monate später, am 24. April 1924, zur Welt. Trotz der beiden Kinder war Betty Frank berufstätig. Während Siegfried Frank mit dem Auto in die umliegenden Dörfer fuhr und seine Textilwaren dort der Landkundschaft anbot, stand seine Frau zu Hause im Geschäft und bediente die dortigen Kundinnen und Kunden. Siegfrieds Eltern Abraham und Malchen Frank waren ihnen 1926 aus Willmars nach Hammelburg gefolgt.


 

Alle wohnten nun gemeinsam zur Miete in dem Haus an der Weihertorstraße, das vormals der jüdischen Familie Katz gehörte. Familie Frank war sehr religiös. Sie lebte ihren jüdischen Glauben auch im Alltag, feierte die jüdischen Feste und ging am Sabbat in die Synagoge, in der Siegfried Frank als Aushilfsvorbeter tätig war. Paul Frank, der den Holocaust überlebte, erinnerte sich noch 1995 in einem Briefwechsel mit dem damaligen Bürgermeister Hammelburgs wehmütig daran, wie er in der 1938 geschändeten Synagoge der Stadt zum ersten Mal zum Torahlesen aufgerufen worden war.

Betty und Siegfried Franks Geschäft lief gut – bis zum März 1933. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden beide ebenso wie viele andere Hammelburger Jüdinnen und Juden verstärkt zum Ziel antisemitischer Verfolgungen und Boykottmaßnahmen. Verstärkt deshalb, weil das Ehepaar Frank bereits seit seiner Ankunft in Hammelburg Anfang 1924 immer wieder judenfeindlichem Verhalten ausgesetzt war.

Schon 1923 hatte sich eine erste NSDAP-Gruppe gegründet, deren aktivste Mitglieder den Franks direkt gegenüber wohnten. Nach der erneuten Gründung der NSDAP-Ortsgruppe Hammelburg 1930 setzten sich die Beschimpfungen und Schikanen fort. Ab März 1933 wurden die Scheiben von Betty und Siegfrieds Geschäfts mehrfach eingeworfen, Kundinnen und Kunden am Betreten des Ladens gehindert, sie selbst und ihre Familie angepöbelt und bedroht. Der Umsatz ging zurück, gleichzeitig mussten sie ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen.

Drei Jahre hielten die Franks noch durch, dann gaben sie auf. 1936 mussten sie ihr Geschäft schließen. Für sich und ihre Kinder sahen sie nun keine Möglichkeit mehr, in Hammelburg zu bleiben. Auch die Kinder Paul und Ruth waren Schikanen ausgesetzt.  Nichtjüdische Kinder pöbelten sie an, wenn sie draußen auf der Straße spielten. Schließlich zogen sich die jüdischen Kinder der Stadt in den geschlossenen Innenhof der Hammelburger Synagoge zurück, um dort in Ruhe gelassen zu werden.

Ende Oktober 1935 schickten die Eltern den damals 14-jährigen Paul nach Frankfurt, damit er in einer jüdischen Lehrlingsanstalt eine Ausbildung begann. Über die jüdische Gemeinde in Hammelburg hatte Siegfried Frank davon erfahren, dass die Hamburger jüdische Gemeinde einen neuen Verwalter für ihr Erholungs- und Landjugendheim Wilhelminenhöhe in Blankenese an der Rissener Landstraße 127 suchte.

Er bewarb sich zusammen mit seiner Frau für diese Stelle und bestand die dafür zu absolvierende Prüfung. So zogen beide im Sommer 1936 von der kleinen, landschaftlich schönen Stadt Hammelburg in Unterfranken an die Elbe. Ihre Tochter Ruth folgte ihnen Ende August, und auch ihr Sohn Paul kam von Frankfurt nach Hamburg.  Siegfried Franks Eltern Abraham und Malchen Frank dagegen blieben in Hammelburg wohnen.

Siegfried und Betty Frank bekamen in Hamburg eine Dienstwohnung in der Wilhelminenhöhe, Ruth besuchte die jüdische Mädchenschule an der Karolinenstraße und Paul begann eine Lehre in der Hachschara-Tischlerwerkstatt an der Weidenallee als Vorbereitung auf ein Leben in Palästina. Für beide Kinder war es ein weiter Weg, da die Wilhelminenhöhe am westlichen Blankeneser Ortsrand lag.

In der Wilhelminenhöhe gab es Hachschara-Kurse für junge Jüdinnen und Juden. Dort lag der Schwerpunkt auf der Gärtnerausbildung. Dabei war die Wilhelminenhöhe zwar ein religiös geführtes Heim, die Jugendlichen kamen aber aus verschiedenen zionistischen Organisationen – aus dem religiösen Bachad, dem linksorientierten Hechaluz und dem Pfadfinderbund Makkabi Hazair.


 

Auch Paul Frank absolvierte in der Wilhelminenhöhe einen Vorbereitungskurs. Dazu unterbrach er seine Tischlerausbildung in Eimsbüttel. Außerdem betreute er im Sommer im Kibbuz Schachal, einem Hachschara-Zentrum in Blankenese, Kindergruppen. Diese kamen täglich aus der Hochdeutschen Israelitengemeinde zu Altona dorthin, da das Zentrum auch als Tagesferienkolonie diente.

Paul Frank verließ Deutschland im Herbst 1938 mit der Jugend-Alija. Da war er 17 Jahre alt. Über Triest (Italien) fuhren die jungen Frauen und Männer am 25. Oktober mit dem Schiff nach Tel Aviv, das sie nach fünftägiger Reise erreichten. Betty und Siegfried Frank gelang es zudem, für ihre damals 13-jährige Tochter Ruth einen Platz in einem der Kindertransporte von Hamburg nach England zu bekommen. Sie verließ Deutschland Mitte Dezember 1938. Vorher hatte sie noch von Blankenese aus beim Standesamt Hammelburg die Änderung ihrer Geburtsurkunde durch das Hinzufügen des Zwangsnamens Sara beantragt. Beide Kinder sahen ihre Eltern nie wieder.

Siegfried Franks Eltern Abraham und Malchen Frank wurden in Hammelburg Opfer des Novemberpogroms. Am Morgen des 10. Novembers 1938 drangen Männer der SA und des NSKK in die Wohnung der beiden alten Leute ein und zerschlugen mit Äxten und Beilen die gesamte Einrichtung.

Ende Dezember 1938 zogen Abraham und Malchen Frank ins jüdische Altersheim nach Würzburg. Dort starb Abraham Frank nur wenige Tage später, am 12. Januar 1939. Malchen, Siegfried Franks Mutter, wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 1. April 1945 ermordet. Auch Betty Franks Eltern Jettchen und Emanuel Levi sowie ihre Schwester Frieda wurden Opfer des Holocaust.

1941 verkaufte die jüdische Gemeinde in Hamburg das Grundstück und das Wohnhaus der Wilhelminenhöhe gezwungenermaßen an die Stadt Hamburg.  Betty und Siegfried Frank zogen daraufhin in den heutigen Grotiusweg 36. Das dortige Hachschara-Zentrum hatten die Nationalsozialisten Mitte 1941 aufgelöst und zu einem „Judenhaus“ erklärt. Von dort wurden Betty und Siegfried Frank am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Am Tag vor der Deportation schrieb Siegfried Frank noch eine letzte Nachricht an seinen Sohn Paul: „Verziehen heute nach Theresienstadt. Wir sind gesund. Benachrichtige Ruth. Gruss und Kuss, Deine Eltern.“

Von Theresienstadt aus wurde das Ehepaar weiter nach Ausschwitz deportiert. Dort wurde Siegfried Frank am 28. September und Betty Frank am 28. Oktober 1944 ermordet.

Ihr Sohn Paul lebte in Palästina in einem Kibbuz in der Nähe von Haifa, den deutsche, österreichische und tschechische Jüdinnen und Juden 1938 gegründet hatten. Dort hatte er auch seine Ehefrau kennengelernt. Beide heirateten 1945 und bekamen drei Kinder sowie elf Enkelkinder.

Ruth Frank hatte in England geheiratet und war mit ihrem Ehemann nach Australien ausgewandert. Paul und Ruth Frank erfuhren erst nach dem Krieg durch eigene Nachforschungen vom Tod ihrer Eltern. Der damalige Bürgermeister der Stadt Hammelburg lud 1995 die noch lebenden Überlebenden des Holocaust aus Hammelburg ein, dazu gehörten auch Paul und Ruth Frank. Beide konnten die Einladung jedoch nicht wahrnehmen.

Die Wilhelminenhöhe in Hamburg wurde nach dem II. Weltkrieg der Jewish Trust Corporation übergeben. Sie verkaufte das Grundstück 1955 an einen Kaufmann, der es anderthalb Jahre später für etwa das Dreifache des Kaufpreises weiterverkauft. Bis heute ist das Grundstück im Privatbesitz und mit einem Wohnhaus bebaut.



Quellen:
1; 3; 4; 5; 6; 8; StaH 324-1 Baupolizei K 6992 Band 2; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 14705; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 16152;  StaH 424-111 Amtsgericht Altona 5796; StaH 552-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5 (Deportationsliste Theresienstadt 19.7.1942, Liste 1); StaH 522-1 Jüdische Gemeinde 297 Bd 22, S. 159; WdE/FZH 115, Interview vom 23.06.1993, anonymisierte Fassung, Aliasname: Samuel Federbusch, Interviewerin: Erika Hirsch; www.alemannia-judaica.de/hammelburg_synagoge.htm (letzter Zugriff 28.12.2013); Roland Flade, 50 Jahre danach. Die Stadt Hammelburg erinnert sich. Eine Dokumentation, hrsg. von der Stadt Hammelburg, 1995; Hammelburger Zeitung, Nr. 20, vom 15.2.1924; Karl Stöckner, Fundmaterialien von einstmaligen jüdischen Bürgern Hammelburgs, hrsg. vom Stadtarchiv Hammelburg, Hammelburg 2000; Informationen von Gerhard Schätzlein, Willmars; umfangreiche Auskünfte u. zahlreiche Dokumente von Petra Kaup-Clement, Hammelburg/ München-Haar; www.alemannia-judaica.de/unterriedenberg_synagoge.htm (letzter Zugriff 28.12.2013); www.victims-of-holocaust-hammelburg.de (letzter Zugriff 28.1.2014); www.hammelburger-album.de/index.php/29-lebensweise/juedisches-leben (letzter Zugriff 28.1.2014); www.holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.1808 (letzter Zugriff 10.1.2014); www.holocaust.cz/de/document/DOCUMENT.ITI.20277 (Toten-Begleitschein Malchen Frank, letzter Zugriff 28.12.2013); www.shz.de/schleswig-holstein/region-stormarn/der-101-stolperstein-mahnt-id2153826.html (letzter Zugriff 28.1.2014); www.stolpersteine-luebeck.de/n/de/main/adressen/fleischhauerstrasse-1-familie-levi.html (letzter Zugriff 28.1.2014)

Pogrom in Hammelburg: Am 9. November 1938 brannten in vielen Städten Deutschlands und Österreichs die Synagogen. Jüdische Häuser wurden von Sturmverbänden der SA demoliert. In Hammelburg blieb es ruhig. Die SA-Männer schlugen einen Tag später zu.

Viehhändler Adolf Stühler wurde am 10. November 1938 verhaftet und ins KZ Dachau eingewiesen.     Foto: StaatsarchivAm 10. November 1938 fand das furchtbare Geschehen des Pogroms in Hammelburg statt. Am selben Tag wurden auch Westheim, Untererthal, Dittlofsroda, Völkersleier und Oberthulba zum Schauplatz antijüdischer Ausschreitungen. Aus Dokumenten der Spruchkammer Hammelburg und der Gestapo Würzburg gehen zum Ablauf des Pogroms in Stadt und Bezirk Hammelburg folgende Erkenntnisse hervor:

Am Abend des 9. November 1938 versammelten sich die Gruppierungen der NSDAP-Ortsgruppe Hammelburg um 20 Uhr in der Turnhalle der Kreislandwirtschaftsschule in der Kissinger Straße zur Heldengedenkfeier. Im Dritten Reich wurde alljährlich am 9. November des Hitlerputsches gedacht, der am 9. November 1923 in München stattfand.

Zum selben Zeitpunkt waren in München im alten Rathaus Hitler, Goebbels und die Gauleiter des Reichs zur Heldengedenkfeier versammelt. Auch der für Hammelburg zuständige Würzburger Gauleiter Otto Hellmuth war dabei. Goebbels hielt eine Rede, in der die Gauleiter aufgefordert wurden, antijüdische Ausschreitungen in ihren Gauen anzuordnen. Nach der Rede telefonierten die Gauleiter mit ihren regionalen Gauleitungsämtern und befahlen „pogromartige Aktionen“.

Der Hammelburger SA-Sturmführer erhielt am späten Abend des 9. November bei sich zuhause den Telefonanruf. Aus Dokumenten der Spruchkammer Hammelburg geht hervor, dass dann in der Nacht der Hammelburger Pogrom geplant wurde. Die lokalen Amtsträger der NSDAP, die Bürgermeister der Gemeinden, die Ortsgruppenleiter und Ortsbauernführer erfuhren erst am Morgen des 10. November von der „Judenaktion“, als sie in Hammelburg schon zugange war.

Max Levi aus Untererthal wurde am Tag des Pogroms verhaftet. Von der Gestapo wurde er erkennungsdienstlich im Hammelburger Gefängnis auf die KZ-Einweisung vorbereitet, weil er nicht bereit war, den Gang in die Emigration zu unterschreiben. FOTO: STAATSARCHIVNach Zeugenaussagen vor der Spruchkammer begann der Pogrom in Hammelburg bereits vor 8 Uhr. Die Organisatoren, die Familienväter waren und schulpflichtige Kinder hatten, hatten den Beginn so gelegt, dass keine Schulkinder mehr auf dem Weg zur Schule waren. Der Schulunterricht begann damals um 7.30 Uhr. Um 7.35 Uhr fuhr der Lkw des SA-Trupps aus Schweinfurt in die Westheimer Straße (heute Berliner Straße) vor und hielt in der Nähe des evangelischen Pfarrhauses. Lokale SA-Männer zeigten den Auswärtigen die „Judenhäuser“. Sechs Häuser hatten sie ausgewählt, drei jüdische Häuser blieben verschont. Zu den Ausgewählten gehörten Abraham und Mali Frank (Weihertorstraße 5), Rosa Stern, Julius und Bettina Mantel (Marktplatz 8), Julius und Hannah Strauss (Kissinger Straße 17), Fanny Baumann und Samuel Sichel (Kissinger Straße 8), Adolf und Jenny Stühler (Kissinger Straße 31) und Simon Adler (Viehmarkt 6). Verschont blieben Eva Purucker (Kissinger Straße 4), Berthold Schlessinger (Bahnhofstraße) und Betty Leykauf (äußere Kissinger Straße).

„Für jedes Haus zehn Minuten“, lautete der Befehl des Hammelburger SA-Sturmführers. Zwischen 7.40 und 8.50 Uhr wüteten die SA-Schläger in der Weihertorstraße, am Marktplatz und in der Kissinger Straße. Um kurz nach 8 Uhr stürzte der NS-Bürgermeister aus seinem Amtszimmer auf den Marktplatz hinaus und stellte brüllend den SA-Sturmführer zur Rede. Dieser brüllte zurück, dass er einen Befehl „von denen da oben“ habe und Schwierigkeiten bekäme, wenn er den Befehl nicht ausführt. Um kurz vor 9 Uhr wurde der NS-Bürgermeister von einer Zeugin gesehen, wie er in Uniform gekleidet mit einem SA-Mann aus Diebach schnellen Schrittes den Viehmarkt in Richtung Synagoge überquerte. Der auswärtige und der lokale SA-Sturm hatten sich im Anwesen der jüdischen Kultusgemeinde versammelt. Es ging nun um die Frage: Wird die Synagoge angezündet? Darf in der Synagoge und in der jüdischen Schule demoliert werden?
„Die Judenfrauen mit ihren Kindern flüchteten durch die Straßen. Es war ein schauriger Anblick.“

Beate Halbritter, Zeitzeugin

Das jüdische Synagogenanwesen war bereits im März 1936 in den Besitz der Stadt Hammelburg übergegangen. Am 10. November 1938 geschah der Hammelburger Synagoge nichts. In Akten der Gestapo Würzburg ist überliefert, dass die SA in der jüdischen Schule Gegenstände beschlagnahmte: die Kasse der jüdischen Gemeinde, ein Radio und religiöse Schriften.

Ein Zeuge sagte vor der Spruchkammer aus, dass der NS-Bürgermeister um 9.10 Uhr von seinem Fahrer nach Würzburg zum Gauleitungsamt gefahren wurde. Der SA-Sturm marschierte weiter zum Viehmarkt, zum Haus des jüdischen Metzgers Simon Adler, der sich in der Nachbarschaft versteckt hatte. Der SA-Sturm stand auf dem Viehmarkt und rief im Sprechchor: „Wo ist der Jude Adler?“ Eine Nachbarin führte schließlich aus Angst, dass auch ihr Haus demoliert wird, Simon Adler auf den Viehmarkt hinaus.

Der jüdische Metzger musste sein Haus aufschließen und sich mit dem Gesicht zur Wand stellen, während die Schläger um ihn herum alles zusammenschlugen. Um 9.30 Uhr lagen sechs Judenhäuser in tausend Scherben und mit Bettfedern übersät.

Das Prekäre war: Drei jüdische Häuser, in denen die SA demolierte, waren bereits arisiert, das heißt in nichtjüdischen Besitz übergegangen: das Haus der Rosa Stern (Marktplatz 8/8a), das Haus des Julius Strauss (Kissinger Straße 17) und das Haus des Adolf Stühler (Kissinger Straße 31).

Was zwischen 9.30 und 12 Uhr mit den jüdischen Bürgern, die vom Pogrom betroffen waren, geschah, ist unbekannt. In den zerschlagenen Häusern war es kalt, weil es keine Fensterscheiben mehr gab. Ob sie Schutz fanden bei Nachbarn, ist nicht bezeugt.

Auch drei jüdische Kinder waren am 10. November vom Pogrom betroffen: Im Hause Stern am Marktplatz hielten sich zur Tatzeit die beiden Buben Norbert und Ernst Neuberger auf, die acht und zehn Jahre alt waren. Sie waren die Söhne von Frieda Neuberger, einer Tochter der Rosa Stern. Frieda packte mit ihrer Schwester Bettina Mantel gerade die Koffer zur Auswanderung in die Schweiz, als die SA das Haus stürmte. Bettina Mantel schrieb 1946 aus dem amerikanischen Exil an die Spruchkammer Hammelburg, dass sie, ihre Schwester und die Mutter mit den beiden Kindern sofort das Haus verlassen haben, als die Schläger in die Wohnung stürmten. Ihr Ehemann Julius Mantel, der sich im Geschäft aufhielt und die SA-Männer zurückhalten wollte, wurde niedergeschlagen.

Im Haus des Julius Strauss in der Kissinger Straße befand sich zum Zeitpunkt des Pogroms Ehefrau Hannah Strauss mit dem erst acht Wochen alten Sohn Benjamin. Sie rannte mit dem Kind auf dem Arm auf die Straße hinaus. „Die Judenfrauen mit ihren Kindern flüchteten durch die Straßen. Es war ein schauriger Anblick. Hinterher wollte keiner dabei gewesen sein“, hat Zeitzeugin Beate Halbritter, die mit ihrem Mann am Viehmarkt ein Kolonialwarengeschäft betrieb, in ihren „Erinnerungen an Alt Hammelburg“ festgehalten (Hammelburger Album).

Um 12.30 Uhr begann die Verhaftung der männlichen jüdischen Familienvorstände. „So viele Juden sind zu verhaften, wie Hafträume vorhanden sind“, lautete der Befehl der Gestapo. Sechs jüdische Männer wurden am 10. November 1938 ins Gefängnis abgeführt: Abraham Frank (77 Jahre), Julius Mantel (51 Jahre), Julius Strauss (64 Jahre), Samuel Sichel (87 Jahre), Adolf Stühler (59 Jahre) und Simon Adler (68 Jahre). Berthold Schlessinger wurde nicht verhaftet.

Das Gestapo-Einsatzkommando, das sich im Amtsgerichtsgefängnis niederließ, gab dem SA-Sturm die Erlaubnis, den Pogrom in sechs weiteren Orten des Bezirks Hammelburg fortzuführen. Diese waren Westheim, Untererthal, Völkersleier, Dittlofsroda und Oberthulba. Obwohl das Hammelburger Gefängnis bereits um 16 Uhr mit Juden überfüllt war, weil ganze Familien aus Untererthal und Westheim eingeliefert worden waren, fuhr der SA-Sturm bis in die Nacht des 10. November in den Landkreis hinaus, um jüdische Häuser zu beschädigen und Juden zu verhaften. Um 24 Uhr wurden die letzten Juden eingeliefert. Es waren fünf Männer aus Oberthulba.

Text: Petra Kaup-Clement
Quelle: Staatsarchiv Würzburg, Spruchkammer Hammelburg, Landratsamt Hammelburg.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.