Hammelburger-Album

Persönliche Erinnerungen

Ein besonderer Liebhaber Diebachs – seiner „Herzensheimat“, ist der Düsseldorfer Horst-Dieter Schuster, der nicht nur den Wein und die Rhöner Atmosphäre genießt sondern den Franken gern auch auf’s Maul schaut. Denn gegen Kriegsende war Schuster als Kind einige Jahre zu Gast in dieser Region, weil seine Geburtsstadt Düsseldorf damals ausgebombt war.

Hier eine seiner Erinnerungen:

Die Hundslehrerin

Die Jahre der Evakuierung nach Diebach (Hammelburg/ Unterfranken) mit meiner Mutter waren längst vorbei, doch wir gönnten uns Jahr für Jahr eine Fahrt dorthin, weil die Bindung an dieses romantisch verklärte Dorf sehr stark war. Es gab die Menschen, ihre Sprache, die Naturschönheit und die Gerüche, welche sich in unsere Erinnerung eingegraben hatten. Immer wieder einmal drang die Erzählung meiner Mutter von der im Ort so bezeichneten „Hundslehrerin“ an mein Ohr, die sie damals noch persönlich kennen gelernt hatte. Diese Pädagogin war eine Volksschullehrerin an der Zwergschule von Diebach, deren ausgeprägte Vorliebe es war, sämtliche Hunde in der Umgebung mit ihrer Barmherzigkeit zu überschütten und zu versorgen. Solch ein Spitzname entschlüpft dem Volksmund bekanntlich rasch. Und was habe ich damit zu tun? —  Nichts.

Aufgemerkt (frei nach dem fränk. Kabarettisten Barwasser): Ich habe während der Evakuierungszeit bis etwa 1946 dort lediglich den Kindergarten besucht. Mit Abschluss.

Diese Vorgeschichte hat allein den Zweck zu erklären, welche Metamorphose die so genannte Hundslehrerin durchgemacht hatte. Wieder ein paar Jahre strichen durchs Land. Meine Mutter hatte erfahren, dass die Lehrerin längst nicht mehr in Diebach wohnte und in ein Nachbardorf verzogen war. Um an frühere Erinnerungen anzuknüpfen, fasste meine Mutter den Entschluss, ihr einen Besuch abzustatten. Beide machten wir uns auf den Weg und landeten auf einem Bauernhof, der schon seit langem ihr Wohnsitz war. Ihre Unterkunft lag im ersten Stock des Bauernhauses, die wir über eine Stiege erreichten. Die Frau öffnete uns die Tür, und wir wurden mit zögerlichem Erkennerblick in die Einzimmerwohnung hereingebeten.

Mir war die meiner Mutter bekannte Person völlig fremd, da ich ja nur von ihr gehört hatte. Spontan beschlich mich eine Beklommenheit. Es wurde uns kein Platz angeboten. Den Entschluss, uns zu setzen, fassten wir selbst. Die alte Frau machte auf uns einen geistesabwesenden Eindruck, der unsere Unsicherheit noch vertiefte.

Auf dem Tisch lagen stapelweise Zeitungsexemplare, die ihr Verfallsdatum längst überschritten zu haben schienen. Unseren Blicken blieb auch nicht verborgen, dass an den neben uns herunterhängenden Gardinen einige Mäuschen auf- und abturnten. Der Schauder lief mir weiter den Rücken hinunter, als mein Blick zu dem in dem Wohnraum stehenden Bett wanderte, wo sich auf dessen Kissen und Plumeau scharenweise Mäuschen tummelten. Kein Wunder, so drängte es sich mir auf, denn die süßen Kreaturen wurden ja auch aus Konservendosen versorgt, die mit leckerer Marmelade angefüllt, auf dem Fußboden verteilt waren.

Ich glaubte mich im falschen Film und stellte mir bibbernd auf dem Stuhl sitzend vor, die anhänglichen Tierchen könnten mir jeden Moment zur Begrüßung die Hosenbeine von innen hoch kriechen. So entschloss ich mich kurzfristig, die überaus gastliche Stätte — ohne meine Mutter — vorzeitig zu verlassen. Trotz der durch die entbehrungsreichen Kriegsjahre in ihr gewachsenen Widerstandskraft, konnte sie dennoch Verständnis für meine entschlossene Kapitulation aufbringen, blieb dafür selbst aber in stoischer Ruhe und bewundernswerter Unbeugsamkeit hocken, um sich von der alten Dame nicht so abrupt zu trennen. Nachdem ich die Stufen hinuntergeklettert war, dauerte es keine Ewigkeit mehr, bis auch meine Mutter sich verabschiedete und dasselbe tat. Die Ironie der Geschichte: von der Hundslehrerin zur Mäuse …

Horst-Dieter Schuster, 23.02.2010

 

 

 

von Norbert Binder

Im August 1945 beschlossen die Alliierten im Potsdamer Abkommen, dass alle Deutschen aus den Ostgebieten und der Tschechischen Republik, die bisher noch nicht die Flucht ergriffen hatten, auszuweisen sind. Es gab insgesamt ca. 13 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, davon ca. 3 Millionen, deren Heimat in der damals Tschechischen Republik lag.
In seiner berühmt berüchtigten Rede vom 9. Mai 1945, sagte der Tschechische Staatspräsident Benes wörtlich: „Was wir schon 1918 tun wollten, nämlich die Deutschen aus der CSR zu vertreiben, das erledigen wir jetzt“. Er verkündete die nach ihm benannten „Benesch-Dekrete“, welche unter anderem die völlige Enteignung aller Deutschen beinhalteten, sowie das Straffreiheitsgesetz für alle an Deutschen verübten Verbrechen.
Die sog. geordnete Vertreibung begann im Januar 1946, ein gutes halbes Jahr nach Kriegsende. Geordnet heißt, dass Familienverbände und Einwohner einer Ortschaft möglichst zusammenbleiben sollten.
In offiziellen Sprachgebrauch der Tschechen wurde nicht das Wort Vertreibung, sondern das Wort Abschiebung verwendet.
Es gab bis November 1946 insgesamt 1112 Transporte aus dem Sudetenland nach Bayern. Pro Person durften 30 kg Gepäck mitgenommen werden, in der Regel in einem Leinenrucksack.
Norbert Binder war beim allerersten Transport dabei, der am 25. Januar 1946 in Budweis startete. Dieser Transporte endete für ihn zunächst am Sonntag, den 27. Januar 1946 am Diebacher Bahnhof. Von dort ging die Odyssee mit einem offenen Milchauto weiter in den Saal des Gasthauses Glück nach Wartmannsroth.
Für die Einheimischen war es oft schwierig, Flüchtlinge bzw. Heimatvertriebene bei sich aufzunehmen und ihnen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, da sie ebenfalls unter den Folgen des Krieges zu leiden hatten.
Am einfachsten war es noch, in der Landwirtschaft unterzukommen, vorausgesetzt unter den aufgenommenen Familien befanden sich arbeitsfähige Männer oder Frauen.
Allen Einheimischen aus Hammelburg und Umgebung ist herzlich zu danken für die damalige Aufnahme und die Integrationsmöglichkeit in die hiesige Gesellschaft. Die Heimatvertriebenen haben diese Integrationsmöglichkeit voll und ganz wahrgenommen. Sie waren ausnahmslos arbeitswillig und strebsam.
Sie haben zum Aufbau Nachkriegsdeutschlands auch in Hammelburg einen wichtigen Beitrag geleistet. Hier in Hammelburg waren dies tüchtige Handwerker, Kaufleute, Angestellte, Beamte, Lehrer, Ärzte, Musiker und Politiker.
Der Autor erinnert an den hochverdienten langjährigen Landrat Marko Dyga, an Dr. Günter, der als Chefarzt das neue Hammelburger Krankenhaus mit aufbaute, an Ernst Kühnl, den Schulleiter der damaligen Volksschule und an Fritz-Peter Viehmann, Herausgeber der damaligen Hammelburger Heimatzeitung.
Auch in der Geschäftswelt fanden sich zahlreiche Heimatvertrieben, wie folgende Beispiele zeigen: Kaufhaus Klauda, Schuh Schmitt, Foto Hersche und Buchhandlung Weinelt, dessen Vater das erste Hammelburger Altenheim betreute.
Viele Heimatvertriebene waren in führenden Positionen bei der Stadtverwaltung und bei der Landkreisverwaltung tätig.
Auch in der Kommunalpolitik mischten die Heimatvertriebenen kräftig mit. In sechs Wahlperioden von 1948 bis 1978 schickte die eigenständige Deutsche Heimatgruppe Vertreter in den Stadtrat, wobei Ernst Kühnl in fünf Wahlperioden und Walter Klim in vier Wahlperioden mitwirkten. Weitere Vertreter im Stadtrat waren Fritz Funk, Anton Klauda und Erich Christl. Über die Parteien wirkten Marko Dyga (CSU), Anton Schmid (SPD) und Norbert Binder (CSU).

Das Ostdeutsche Heim auf der Saaleinsel (1957 – 1991)

Ostdeutsches-Heim-1Der kulturelle Mittelpunkt aller Heimatvertriebenen, vor allem der Sudetendeutschen, war das Ostdeutsche Heim auf der idyllischen Saaleinsel, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Herrenmühle.
Viele freiwillige Helfer der Sudetendeutschen Landsmannschaft, an ihrer Spitze Leopold Schmitt, Anton Klauda, Josef Binder und Martin Reidinger bauten 1957 aus den Liegenschaften des Internierungslagers eine Baracke ab und begannen mit deren sofortigen Wiederaufbau.
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft zählte damals im Altlandkreis Hammelburg über 1000 Mitglieder, so dass die Errichtung einer eigenen Heimstätte allgemein begrüßt wurde.
Ostdeutsches-Heim-2Nach und nach erfolgte die Ausgestaltung  der Räume mit einem ca. 100 Sitzplätze fassenden Saal.
Die feierliche Eröffnung geschah am 27.9.1958. Alt- und Neubürger begingen gemeinsam den Tag  der Heimat auf der Saaleinsel.
Eingeleitet wurde der Tag mit Gottesdiensten in den beiden Kirchen und einer Gedenkfeier am Kreuz der Heimatvertriebenen auf dem Friedhof. Dieses Kreuz mit seiner ansehnlichen Gedenkstätte wurde 1950 errichtet und 2005 restauriert.
Nach dem Heimattreuemarsch durch die festlich geschmückten Straßen der Stadt sprachen auf der Kundgebung Landrat Adam Kaiser, die Vizepräsidentin des Bundestags Dr. Marie Probst und als Festredner Staatssekretär Alfons Goppel. Ein reichhaltiges kulturelles Programm schloss sich an .
Ostdeutsches-Heim-3Nach und nach erfolgten die weitere Ausgestaltung der Räume, neben den zirka 100 Sitzplätze fassenden Saal mit Vorraum, erhielt das Heim noch weitere 4 Räume: Kanzlei, Archiv, Bibliothek und einen Abstellraum (Herr Voh).
In und um das Ostdeutsche Heim herrschte dann mehr als drei Jahrzehnte ein reges Leben.
Leopold Schmitt, damaliger Kreisobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft,  hielt zuerst abends, dann auch tagsüber Sprechstunden ab, erteilte seinen Landsleuten Ratschläge und half beim Ausfüllen von Anträgen. Er war der Motor und die Seele des Heimes.
Die Bezeichnung Ostdeutsches Heim wurde dem Gebäude gegeben, weil es eine Begegnungsstätte aller Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten und der einheimischen Bevölkerung war.
Faschingstreiben im Ostdeutschen HeimFaschingstreiben im Ostdeutschen HeimDer gemischte Chor, unter seinem langjährigen Chorleiter Herbert Mauermann fand hier Unterkunft und Geborgenheit, es fanden Familientreffen und monatliche Heimatstunden statt, zur Faschingszeit war Jubel, Trubel, Heiterkeit in allen Räumen zuhause, der Mütter gedachte man in Maiheimatstunden, Erntedank und Kirchweih wurden gefeiert, es gab stilvoll in heimatlicher Tradition gestaltete Advents- und Weihnachtsfeiern – und bei allen diesen Veranstaltungen wirkten immer der gemischte Chor sowie Jugend- und Kindergruppen mit.
Viele glanzvolle Höhepunkte sind zu nennen. Zu erinnern ist hier an die Tage der Heimat im Herbst, die in und um das Heim veranstaltet wurden, so z.B. 1966 mit Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm , MdL Walter Zeßner, Bgm. Karl Fell und Landrat Adam Kaiser. Es kamen auch in den späteren Jahren der bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel und Staatsminister Walter Stain.
Es gab auch eine sehr aktive Sudetendeutsche Jugendgruppe, die von Gerhard Hortig geführt wurde.
Nach dem Tod der meisten aus der alten Garde führten vor allem Ernst Schimurda und das Ehepaar Martin und Beatrix Reidinger die Tradition des Heimes fort.
Die finanziellen Belastungen, wie Pachtzins, Versicherungsgebühren, Abbruch des Ostdeutschen HeimesUnterhaltungskosten, anstehende Reparaturen und notwendige Erneuerungen sowie die stark zurückgehende und alternde Mitstreitergruppe zwangen die Vorstandschaft notgedrungen das liebgewordene, traute Ostdeutsche Heim Anfang der 90-er Jahr aufzugeben.

 

Abschrift aus dem Notizbuch von Anton Bethäuser (1865 - 1949)
Obermatrose der Kaiserlich-Deutschen Marine 1883 - 1887
abgeschrieben von Anna Bethäuser 1991
 
Meine erste Seereise an Bord S.M.S. Kreuzercorvette "Ariadne"


Am 15.Juli 1884 schiffte ich mich zum ersten Male an Bord eines Kriegsschiffes ein und war dieses Schiff die Kreuzercorvette "Ariadne". Dieselbe war als Schulschiff für vierjährige freiwillige Matrosen in Dienst gestellt und bestimmt, den Übungen des Geschwaders beizuwohnen, Nach den Geschwaderübungen erhielten wir Ordre, das Westafrikanische Geschwader mitzumachen. Nachdem das Schiff ausgerüstet war, gingen wir am 14.Oktober in den Vorhafen, nahmen daselbst Munition, und am 15. gingen wir auf Reede, wo das Schiff und die Mannschaft von dem Chef des Westafrikanischen Geschwaders Herrn Contre-Admiral Knorr inspiziert wurde.

Am 30.Oktober frühmorgens 8 Uhr gingen das Westafrikanische Geschwader, bestehend aus den beiden Kreuzerfregatten , „Bismarck“ und „Gneisenau“ und den beiden Kreuzercorvetten „Ariadne“ und „Olga“ Anker auf und steuerten in der Richtung nach Plymouth, Am 2.November frühmorgens 9 Uhr passierten wir Dover - Calais, dampften weiter und passierten um 10 Uhr Folkestone, wo 1878 Panzerthurmschiff "Großer Kurfürst" mit der Panzerfregatte "König Wilhelm" zusammenstieß, wobei letzerer glücklich davonkam und ersterer untergehen mußte, wobei 350 Menschen zugrunde gingen.

Die S.M.S. AriadneAm 3.November frühmorgens 8 Uhr meldete der Posten auf der Vormast: "Land in Sicht steuerbord". Um 1/2 l2 Uhr gingen wir in Plymouth, England, vor Anker, nahmen daselbst von 4 bis 5 Uhr des Nachts Kohlen über, und gingen am 9. November wieder in See, steuerten in der Richtung nach Madeira, wo wir nach siebentägiger Fahrt ankamen und ankerten. Dort trafen wir das englische Geschwader, bestehend aus 7 großen Panzer- und einem Transport-Dampfer "London". Das Flaggschiff "Minotaur" hatte 5 Masten und 500 Mann Besatzung.

Am 18.November nahmen wir wieder Kohlen. Funchal, die Stadt auf der Insel Madeira, liegt auf einem Berge dicht am Meer. Alles steile Berge, sehr gutes Klima und sehr fruchtbar. Am 14. war ich daselbst auf Urlaub und besah mir unter anderem den Garten der Kaiserin von Österreich, den Friedhof und die Kirchen, die alle katholisch sind.
Die Insel ist von Portugiesen bewohnt. Einen seltsamen Eindruck macht auf dieser Insel das Schlittenfahren, trotzdem man hier keinen Schnee kennt. Der Boden und das Pflaster besteht nämlich aus kleinen schwarzen Steinen, die wegen ihrer Glätte das Fahren mit Wagen unmöglich machen.

Am 15. hatte der Pfarrer, der ein Rheinländer ist, die katholische Mannschaft zur Kirche eingeladen, wo er in seiner Muttersprache, was er seit 12 Jahren nicht mehr getan, predigte und eine Hl.Messe las.

Am 16.November gingen wir Anker auf, und wiederum nach siebentägiger Fahrt erreichten wir am Sonntagmorgen, 23.November, Porto Grande (St. Vinzenz), woselbst wir uns zu Anker legten. Am 25. erhielt ich Urlaub und konnte mich nicht genug über die Neger freuen.

Die Insel St. Vinzenz ist gänzlich unfruchtbar, alles kahle steile Felsen, welche eine sehr romantische Ansicht gewährt, besonders der schlafende Riese und das an der Hafeneinfahrt gelegene Eiland. Am 26. , 27. und 28.November hatten wir großes Landungsmanöver geübt.

Am 30. November löste sich das Geschwader auf und gingen wir noch denselben Nachmittag in See. Nachdem wir Anker auf gegangen waren, setzten. wir a l l e Segel und segelten bis zum 5, Dezember. An demselben Tage Segel fest und Dampf aufgemacht. Am 6. war scharfes "Klar Schiff" . So dampften wir weiter bis zum 9. Dezember, als wir Land in Sicht bekamen. Wir gingen wieder zu Anker in Monrovia, Negerrepublik Liberia (6 Grad nördl. Breite)

Am 14. Dezember stattete der deutsche Consul nebst Frau, einer Mulattin, einen Besuch an Bord „S.M.S. Ariadne“ ab.

 



Lang und beschwerlich war die Schifffahrt nach Übersee und zu den Kolonien in Südwestafrika im 19. Jahrhundert wie hier mit einem Dampfer der Woerman-Linie - auch für die Post.Da es uns sehr an Zeit fehlte, und wir dazu eine Behandlung hatten, wie sie nicht schlechter sein konnte, und einem dabei die Lust an allem verging, so machte ich weiter keine Bemerkungen mehr, doch kann ich mich jetzt, nach vollendeter Reise, noch an alles erinnern.
Die Ordre des Geschwaders war, verschiedene Länder an der Westküste unter deutsches Protektorat zu steilen und die deutsche Flagge zu hissen.

Ende Dezember brachte uns der Kapitän eines Woermann'schen Dampfers die Nachricht, daß der König von Kapitai den Wunsch geäußert, sein Land unter deutschem Schutz zu haben. Wir gingen deshalb am l. Weihnachtsfeiertagabend, nachdem wir 7 Neger geholt, die in das Brandungsboot sollten, Anker auf. Da unsere Abreise nicht bemerkt werden sollte, so geschah dies bei Nacht, ohne daß Passitwas-Laternen gefahren wurden, Erst steuerten wir falschen Kurs, doch als wir nicht mehr bemerkt werden konnten, ging es mit Volldampf und vollen Segeln unserem! Ziel zu. Nach mehreren Tagen waren wir an Ort und Stelle, d. h. wir lagen noch 20 miles. von Land ab, da wir wegen der geringen Wassertiefe 6 m nicht dichter unter Land konnten. Folgenden Tages wurden alle Boote ausgesetzt. mit ausgesuchten Leuten armiert. Jeder erhielt 20 Patronen, denn wir dachten nicht anders. als daß nun die Schwarzen angreifen würden. Mit banger Erwartung lauerten die Zurückgebliebenen auf die Heimkehr der Boote, denn alle dachten nicht anders, als daß nun das Gefecht mit den Schwarzen beginnen würde, Doch die Hoffnung ging nicht in Erfüllung, denn die Neger machten nicht die geringste Miene zu einem Angriff. Im Gegenteil, sie waren sehr freundschaftlich, und so war unserem Kommandeur seine Mission bald zu Ende. Schon nächsten Tag nach seiner Zurückkunft an Bord wollte er das Land unter Deutschen Schutz stellen und die Flagge hissen. Jeder wollte nun gerne mit an Land, um diesen Akt mitzumachen, aber das Los entschied nur wenige. Ich war leider nicht darunter. Am Neujahrstag früh zur Musterung alle Mann achteraus und der erste Qffizier hielt eine feierliche Anrede, enthaltene, daß am heutigen Tag der Kommandant S,M.S. Ariadne zum erstenmal nach so langer Zei t (die Seit des großen Kurfürsten) die deutsche Flagge gehisst, und dies der Nachwelt von großer Bedeutung sei. Mit einem dreimaligen Hurra auf S. M. den Kaiser und das neue deutsche Land schloß die Anrede .
Nach 2 Tagen kehrte der KomnandanT und die Bootsbesatzung zurück. Uns konnten dieselben nicht genug erzählen, was sie gesehen und gehört haben.

Tags darauf kam ein Dampfer von der in Kapitai bestehenden Faktorei Wörmann und brachte uns die Könige von Kapitai und Soba mit ihren Ministern und Kriegern in phantastischer Kleidung oder meist nackt an Bord, um den Kontrakt abzuschließen. Auch erhielten wir 7 afrikanische Ochsen, die uns sehr willkommen waren. Einige Zeit nach Ankunft der seltsamen Gäste wurden alle Mann aufgepfiffen, klar zum Manöver. "Kerls", sagte der erste Offizier, "zeigt diesen Schwarzen, was ein deutsches Kriegsschiff zu leisten im Stande ist" . Groß war das Erstaunen der Neger über das Segelexerzieren, sowas hatten sie noch nie gesehen. Doch ihr Erstaunen sollte noch größer werden, als zum "Klar Schiff" angeschlagen wurde. In 6 Minuten war das Schiff klar zum Gefecht. "Batterieweise feuern" kommandierte der Batterie-Offizier. Alle Geschütze wurden zugleich geladen und "Feuer". Mit einem Ruck donnerten sämtliche Geschütze. Die Neger waren außer sich vor Erstaunen. Den nächsten Tag setzten wir die Reise mit der ganzen schwarzen Gesellschaft fort, um nach eintägiger Fahrt im "Königreich Soba" die deutsche Flagge zu hissen.
Ein Woermannscher Dampfer brachte den König von Kapitai und dessen Begleitung wieder nach dahin zurück. Mehrere, darunter auch der Bruder des Königs, wollten gerne mit nach Deutschland, doch gab das unser Kommandant nicht zu.



Unsere Mission war hier beendet und wir gingen zurück nach Freetown (Englisch), woselbst wir sogleich beurlaubt wurden und uns da köstlich amüsierten. Die Stadt ist von lauter zivilisierten Negern bewohnt, und das da liegende Militär, die Offiziere ausgenommen, sind Heger. Wir waren da bei ihnen in den Kasematten, wo wir uns mit diesen schwarzen Kameraden vortrefflich amüsierten.

Da die "Ariadne" sehr wenig Kohle nehmen konnte, und da an der Westküste nicht überall Kohlen zu haben sind, so erhielten wir die Nachricht-, daß uns der Kreuzer "Habicht" ablösen sollte. Wir gingen deshalb, nachdem wir unsere schwarzen Brandungsbootgäste durch einen Dampfer wieder nach Monrovia zurückschickten, nach Porto Grande, um daselbst unsere Ablösung abzuwarten. Nach einem Zeitraum von 4 Wochen waren wir abgelöst und traten die Heimreise' an. Wir ankerten noch in den spanischen Häfen Santa Kruz, (Insel Teneriffa, Kanarische Insel, bekannt durch den hohen feuerspeienden Berg), dann Vigo, von da nach Plymouth. Am Dienstag in der Karwoche 1885 trafen wir unter dem Salut der auf Schede liegenden Schiffe in Wilhelmshafen ein.

Am Mittwoch hatten wir Inspizierung von dem Chef der Admiralität, der uns zu dem guten Manöver, des guten Aussehens des Schiffes und der Mannschaft wegen, alles Lob spendete. Bei dem "Alle Mann achteraus" bemerkte er unter anderem, daß das, was wir an der Westküste von Afrika getan, uns zwar gering erscheine, er aber, der höher stehe, einen tieferen Einblick hätte. Es wäre dies der erste Schritt, den Deutschland, um sich zu erweitern, im Ausland getan. Und unsere Enkel würden noch unser gedenken.


Zweite Seereise „S.M.S. Panzerschiff Friedrich Karl“

Zweck der Reise: Den bevorstehenden Krieg zwischen der Türkei und Griechenland, woraus ein allgemeiner Krieg über ganz Europa entstehen konnte, im Verband mit fast sämtlichen Großmächten Europas, zu verhindern.

Besondere Merkwürdigkeiten waren die große internationale Flottendemonstration in Suda-Bay, Insel Kreta; 4-wöchentliche Blockade in Griechenland vor Athen; Aufhebung der Blockade; 4-wöchentliche Erholungsreise im Mittelmeer. Dauer der Reise: 7 1/2 Monate.

 

Erinnerungen. Geschrieben vor 1900

Da in letzter Zeit die Zeitungen voll sind von Berichten über die Vorgänge auf der Insel Kreta, und man auf den Ausgang derselben immer noch gespannt ist, so möchte ich durch einen kurzen Vortrag etwas über diese Insel und eine Reise dorthin berichten, da ich nämlich schon mehrere Monate in dieser Gegend verweilte. Es war Ende Januar des Jahres 1886. Wir waren vor wenigen Wochen von einem Schiffe abkommandiert worden und befanden uns an Land in der Kaserne, wo wir das eintönige Leben eines Landsoldaten führten. Ich war Befehlsordonnanz geworden, aber das bequeme Leben an Land paßt .einem Matrosen, der im dritten Jahr dient, nicht lange, und so kam uns dann ganz erwünscht die Nachricht, das Panzerschiff "Friedrich Karl" solle sofort in Dienst gestellt werden und ins Mittelmeer gehen. Da ein Soldat der Marine gern dahin mitgeht, wo es "Lorbeeren zu pflücken gibt", wie unser Bootsmann immer sagte, so waren wir erfreut, als wir erfuhren, der "Friedrich Karl" würde wahrscheinlich in Aktion kommen, da es zwischen Griechen und Türken auf der Insel Kreta zu Streitigkeiten gekommen sei. Im Verein mit den anderen Großmächten sollten wir einen Krieg verhindern, woraus ein allgemeiner europäischer Krieg entstehen könnte. Uns wurde nämlich gesagt, die Insel Kreta gehörte früher zu Griechenland, kam aber durch einen Vertrag sämtlicher europäischer Völker an die Türkei. Griechenland wollte nun die Insel mit Gewalt wieder haben, dieselbe sei aber schon halb, wegen der großen Schulden, welche die Türkei an England hat, an die Engländer verpfändet. So war denn auch das Aufgebot an die Großmächte von England angestiftet. Deutschland muß es kein großer Gefallen gewesen sein, denn es kam an uns von Berlin eine Depesche nach der anderen. Bald hieß es "abreisen",- bald "noch abwarten". Als die letzte Ordre ankam mit dem Befehl "sofort abreisen", war das Schiff gerade zur Abreise fertig.

Die Vorbereitung dazu war in zwei Tagen und zwei Nächten fertig geworden, was keine kleine Anforderung war, denn ein Panzerschiff präsentiert eine Festung. Natürlich konnte dies die Schiffsbesatzung nicht allein leisten, es wurden alle verfügbaren Kräfte dazu herangezogen, denn wir hatte 400 bis 500 Tonnen Kohle zu nehmen, dann die Munition.

Unser Schiff hatte 16 schwere Geschütze und 6 Schnellfeuerkanonen und 3 Torpedogeschütze. Dann kam noch Proviant und Wasser für 500 Mann und die eigentliche Schiffsausrüstung dazu,



Also jetzt zur Reise:
Im Hafen zu Wilhelmshafen .kann man nur zur Flutzeit ein- und ausfahren. Und .dann geht es durch Schleusen, die nicht breiter sind, als daß sich das größte Schiff durchzwängen kann. Es war gerade schlechtes Wetter, die Brandung an den Schleusen und Wollenköpfen, sodaß der Kapitän ohne Zuhilfenahme eines Schleppdampfers gar nicht aus dem Hafen kommen konnte. Eine ungeheure Menschenmenge stand auf den Vollen, viele Frauen und Kinder. Die Angehörigen der Offiziere und Maaten weinten. Die Küstenforts feuerten Salut, die Musik spielte, Tücherschwenken und Ade-Rufen vom Lande. Aber wir konnten dem allen keine Aufmerksamkeit schenken. Kit dem Aufgebot aller Kräfte hatten wir zu arbeiten, um das Schiff aus dem Hafen zu bringen. Auf einmal ein Krach, und der eiserne Roller, an dem der Schleppdampfer befestigt .war, war gebrochen und wir brauchten den Schlepper wenigstens nicht loszumachen. "Alle Mann antreten zur Musterung" hieß es jetzt, aber wie sahen wir, wie sah das Schiff aus! Unser erster Offizier schlug die Hände über dem Kopf zusammen, wie so schwarz von Kopf bis zu FuB wir waren, wie Schlotfeger. Das Schiff das reinste Kohlenmagazin und eine Kälte, es war am 2. Februar und auf allen Seiten schlugen die Wellen über Bord! "Stillgestanden" hieß es, als der erste ' Offizier dem Kommandant Meldung machte, allerdings ein schlechter Stillstand bei diesem Wetter. Nur ein paar Sekunden reichten hin, daß wir von dem entgegenspritzenden Wasser fast alle die Ohren erfroren. Ich will die Beschwernisse und Leiden dieser 6-7 tägigen Reise bis Gibraltar nicht näher schildern. Es' ist genug, wenn ich Ihnen ,sage, daß wir in diesen Tagen nicht trocken wurden, nichts Trocknes kannten, und die ersten paar Tage im englischen Kanal und englischem Gewässer uns die KLeider buchstäblich am Leib anfroren.

Es war Nacht, als wir in die Straße von Gibraltar einfuhren. Hier lebten wir wieder auf, aber nun ging die Arbeit los, selbst nur das Schiff zu reinigen, denn wir konnten so niemanden an Bord lassen. Nur Deutschland besitzt im Ausland den guten Ruf, daß es die saubersten Schiffe mit ebensolcher Besatzung hat. So gingen die Reinigungsarbeiten fort bis nach Messina. Hier nahmen wir wieder Kohlen, und es hieß dann wieder gründlich reinigen und putzen. Am zehnten Tag unserer Abfahrt von der Heimat langten wir am Ziel unserer Reise an. Welch herrliches Bild! Die südliche Sonne lachte am Himmel. Die Bucht, in der wir einfuhren, war die "Suda Bai", der Hafen von .Canäa , Inmitten der fremden Geschwader, alle Nationen waren mit mehreren Schiffen, England sogar mit zehn beteiligt, Sobald wir Anker geworfen hatten, ging der Spektakel los, nämlich das Salutieren. Vor jeder Nation muß einzeln salutiert werden. Die Kriegsflagge von der -betroffenen Nation wird im Großtogg gehißt, dann feuert das Schiff 21 Schuß, worauf das begrüßte Schiff dasselbe genauso erwidert. Und da gab es ein paar Stunden lang ein Donnern, als ob ein Gefecht stattfände. Dann kam die Honnörmacherei der Offiziere. Nun waren wir da, aber was sollten wir da? Wir Mannschaften konnten' diese Rätsel nicht lösen. Ob die Offiziere mehr wußten?



Vir lagen hier vor Canäa neun Wochen, und die Zeit mußte doch vertrieben werden. Den Oberbefehl über sämtliche Schiffe hatte der kommandierende Admiral der Engländer, Herzog von Edinburg, der oft auf unser Schiff kam, und besonders uns Mannschaften sehr wohlwollend war. "Ich stelle euch deutsche Matrosen meinen englischen Matrosen immer als Beispiel hin", sagte er. Wir alle Nationen betrachteten uns jetzt als eine Nation und es wurden die Exerzitien und Manöver auch gemeinsam ausgeführt. Hier kam es immer darauf an, wer der erste ist, besonders beim Segelexerzieren. Und wer war da wohl der erste? Anfangs immer der Russe, wir die zweiten. Das leuchtete unserem ersten Offizier nicht ein. Er schickte unseren Bootsmann auf das russische Schiff "Dimitri Donski", um einmal heimlich zu kontrollieren. Und da stellte sich heraus, daß sie in der Takelage eine heimliche Vorrichtung hatten, die aber im Ernstfall nicht gebraucht werden konnte. Nachdem unser Offizier den russischen Offizier darauf aufmerksam gemacht hatte, daß sie hinter ihre Schliche gekommen waren, da war von jetzt an das Ding ganz anders. Wir Deutsche waren wieder die ersten beim Exerzieren! Auch Wasserrudern wurde viel veranstaltet. Es schien überhaupt, als ob wir hierhergekommen waren, um Festlichkeiten zu veranstalten. Da war zuerst der Geburtstag des Königs von England, dann der des Deutschen Kaisers und der des Kaisers von Österreich.

Früh bei der Flaggenparade., welche täglich um 8 Uhr war, ging die Feier los. Die Schiffsuhren gehen ganz genau. Auf den ersten Schlag krachten zu gleicher Zeit die Geschütze, ein jedes Schiff feuerte 21 Schüsse. Die Schiffsetappe spielte die Nationalhymne von jeder Nation nach der Reihenfolge. Und das Imposanteste ist das Hissen der Flaggen, vorn , am Schiff beim Wasserspiegel angefangen, über sämtliche Kasten bis hinten wieder zum Wasserspiegel,und so auch über quer, eine Flagge neben der anderen. Und die Hunderte von Flaggen sind in wenigen Sekunden gehisst, sodaß ein Zuschauer an Land, der erst einige Augenblicke die Augen abwendet, unbedingt glauben- muß, diese Flaggenpracht wäre mit einem mal hergezaubert.

Etwas muß ich noch erwähnen: Es war ein Samstag vor Palmsonntag, da wurde mit einemmal gepfiffen und gemeldet: "Die Katholiken Backbord Achterdeck antreten". Wir waren begierig, was wohl kommen würde. Der erste Offizier machte uns nun bekannt, daß wir vom österreichischen Admiral eingeladen seien, unsere Osterpflicht zu erfüllen, Beichte und Kommunion. Und sollten wir zu diesem Zwecke morgen früh auf das österreichische Schiff "Elisabeth". Einige wollten sich drücken, aber unser erster Offizier befahl, die Namen aufzuschreiben, und daß ja keiner eine Entschuldigung vorbringen sollte. Der Offizier war Protestant. Am anderen Morgen fuhren wir dann in Paradeuniform in Booten auf das österreichische Schiff, wo wir herzlich empfangen wurden. Auch die katholischen Russen waren bereits zugegen. Im achten Zwischendeck saß der Marinegeistliche, ein Slowene, Beichte. Während wir nun beichteten, wurde die Batterie des Schiffes zur Kirche hergerichtet. Wir gingen dann zur Hl.Kommunion und dann der Gottesdienst. Erst Predigt in deutscher, und dann in russischer Sprache. Anschließend feierliche Messe, Ein schöner Altar war aufgerichtet, zwei Matrosen ministrierten und zwei standen mit aufgepflanztem Entermesser zu beiden Seiten des Altars Posten. Ein Hornist stand in der Nähe des Altars. Anstatt bei der Hl. Handlung das Zeichen mit der Schelle zu geben, hatte dieser ein Hornsignal zu blasen, dieses wurde durch einen Hornisten auf dem Oberdeck repetiert, und dieses Signal wiederholten auch die übrigen österreichischen und italienischen Schiffe. Nach dem Gottesdienst durften wir uns noch mit den österreichischen und russischen Matrosen eine Stunde unterhalten, wo wir gegenseitig uns unsere Leiden und Freuden erzählten. Wir besprachen noch, wie wir ein schönes Ostern miteinander feiern wollten. Aber dieses schöne Ostern sollte nicht kommen.



Am Karsamstag konnten wir unter den Schiffen eine ungewöhnliche Bewegung bemerken. Erwähnen muß ich noch, daß wir den russischen Schiffen kein allzu großes Vertrauen schenkten. Und richtig, in einer schönen Nacht waren sie spurlos verschwunden. Am Karsamstag kam mit einem Male das Kommando: "Anker lichten, fertig zur Abfahrt" . Ein Schimpfen und Murren ging los. Jedesmal wird es so eingerichtet, daß man die Feiertage in See ist, hieß es. Ganz langsam fuhren wir anderen Tages vor Piräus, dem Hafen von Athen. Jetzt wurde das Schiff gefechtsklar gemacht - die Stangen wurden gesteißt, das heißt, der Mast verkürzt, die Kanonen schußfertig gemacht, Munition ausgeteilt. "Alle Mann antreten", hieß es. "Alle Mann achteraus" , das ist das Kommando für wichtige Befehle. Der Kommandant hielt eine Ansprache. "Mit dem heutigen Tag ist über Griechenland die Blockade, das ist die Belagerung, erklärt. Und es kann jede Stunde zum Angriff kommen. Ich hoffe, daß ihr eure Schuldigkeit tut. Wegtreten."

Nun wurde ins Zwischendeck gestürmt, was ein jeder Liebes und Teures hatte, zu sich gesteckt, die Waffen kamen nicht mehr vom Leibe. Nur ein Viertel der Mannschaft durfte nachts in die Hängematte, das Gewehr und Geschützmunition .zur Seite, zum Schlafen. Die übrige Manschaft mußte wachend auf ihren Posten oder bei den Geschützen bleiben. Ich hatte es dabei noch gut. Ich war Revolverkanonenschütze, deren Bedienung aus drei Mann besteht. Unser Geschütz befand sich ganz vorne auf dem Oberdeck.. Wir besorgten uns ein kleines Segel, und da krochen immer zwei Mann hinein und. einer wachte. Tagsüber war immer jedes Schiff allein. Auf den höchsten Bergen standen englische Ausguckposten. Des Nachts zogen sich die Schiffe näher zusammen. Die griechischen Schiffe und auch einige französische Schiffe lagen versteckt im Hafen.

Unsere Hauptaufgabe war nun, alle mit griechischer Flagge segelnden Schiffe und Fahrzeuge zu attackieren. Das Oberkommando über die Flotte hatte der englische Admiral Herzog von Edinburg. Wenn wir uns nicht von den Engländern beobachtet sahen, hatten wir kein großes Augenmerk auf die griechischen Schiffe, wenn sie uns nicht gerade sozusagen in die Hände liefen. Das Konfiszieren der Schiffe geschah in der Weise, daß für das Schiff das Signal "Halt" gegeben wurde, darauf fuhren 10 Mann im Boot zu dem Schiffe. Die Besatzung des griechischen Schiffes mußte unter Deck in ihre Kajüte und wurde dann das Schiff in Schlepptau genommen und nach einer Bucht gebracht. Wir hatten so nach und nach 30 Schiffe genommen. Ein englisches Schiff machte den Gefängniswärter, indem es sich quer vor die Bucht legte, in der die Schiffe eingesperrt waren. Die Blockade dauerte 6 Wochen, eine langweilige Zeit. Am langweiligsten aber schien sie den Engländern zu werden, denn diese fuhren manchmal dicht an den Hafen und gaben blinde Schüsse ab, aber es regte sich niemand drinnen.



Schön war es auch, als eines Tages ein griechisches Bundboot, das ist ein Boot, das Lebensmittel zu verkaufen hat, auf uns zukam und auf Befragen erklärte, es wolle uns Lebensmittel verkaufen, also wir sollten die Griechen
aushungern lassen, und derweil waren wir die Hungrigen.

Dreimal während der Blockade war den Griechen eine Frist gesetzt, um die Vorschläge der Mächte anzunehmen, und immer noch wollten sie nicht nachgeben. „Griechenlands Söhne werden kämpfen wie die Löwen“, lautete eine Antwort nach Berlin.

Nun war aber doch der Endtermin gekommen. Eines Abends zog sich die Flotte dicht vor Piräus zusammen. Von jedem Schiff wurde eine Anzahl Leute mit Waffen und Munition an Land geschickt zur Bewachung der Konsul- und Gesandtschaftsgebäude.

Nachts um 12 Uhr sollte es sich entscheiden. Als Signal, dass die Griechen nachgeben, sollte eine Rakete aufsteigen. Sei dies nicht der Fall, so sollten Piräus und Athen bombardiert werden. Mit Spannung erwarteten wir, bei den Geschützen stehend, die zwölfte Stunde.

Unser Kapitän sagte immer; „Wie schade, diese herrliche Stadt zusammenzuschießen.“ Doch es sollte nicht soweit kommen. Punkt 12 Uhr stieg die Rakete empor, die Blockade war zu Ende. Unsere abgeschickte Mannschaft kam zugleich mit dem deutschen Gesandten zurück an Bord. Der Gesandte hatte den Auftrag, sofort nach Berlin zu reisen. Wir brachten denselben nach Smirna. Hier blieben wir 2 Tage und fuhren dann wieder zurück nach Piräus. Hier zeigte es sich, dass mehrere französische Schiffe während der Blockade in dem versteckten Hafen von Piräus waren, auch der Russe wurde wieder sichtbar.

Jetzt wurden die gefangenen griechischen Schiffe freigelassen. Wie wenn man einen Taubenschlag öffnet, so wimmelten die Fahrzeuge aus ihrem Gefängnis, stolz ihre prächtige Flagge entfaltend, die mit der bayerischen Ähnlichkeit hat, blau-weiß-gestreift mit grünem Wappen.



Erläuterungen:

1. Seereise

Kaiserliche Marine

Ariadne: s. Kaiserliche Marine - Schiffe - Ariadne 1 Kreuzerkorvette

Informationen über den Untergang des „Großen Kurfürsten“



Madeira - Insel im Atlantischen Ozean 700 km von der Küste Marokkos entfernt,

Funchal - Hauptstadt der portugiesischen Insel (und Region) Madeira

„Klar Schiff“ machen - (das Schiff) aufräumen und sauber machen:

Ordre - Befehl

2. Seereise:

Canea - Vermutlich Chania im Nordwesten der Insel Kreta

Smirna - Heutiger Name ist Izmir, Türkei.

achteraus – hinten oder hinter dem Schiff, Beim Befehl: Alle Mann achteraus! musste sich die Besatzung auf dem Achterdeck versammeln, das sie nur dienstlich betreten durfte.

Die Auswirkungen der Inflation 1923 auf das Waisenhaus der von Hess'schen Stiftung in Hammelburg

Die Kosten des 1. Weltkrieges und die hohen, dem deutschen Reich auferlegten Reparationen erzwangen einen ständig wachsenden Druck von Geldnoten. Der steigenden Geldmenge stand kein ausgleichendes Warenangebot gegenüber. Als Folge dieses Ungleichgewichts wurden die Waren immer teurer. Die finanzielle Unterstützung der Ruhrbevölkerung durch das Reich beschleunigte noch die Inflation:
Im Januar 1923 kostete der Dollar 17 972 Mark, im August 4 620 455 Mark und nur drei Monate später 4,2 Billionen Mark. ( 4 200 000 000 000)

Welche Folgen die Inflation für das Waisenhaus der von Hess’schen Stiftung in Hammelburg hatte, schildert der folgende Brief der Oberin an die Brüder Gößmann in Amerika sehr anschaulich.


Diesen Brief hat uns Herr Werner Gößmann, ein Cousin des Adressaten, zur Verfügung gestellt.

 


 

Werter Herr Gößmann!                                           Hammelburg, 10. 8. 23


Gedrängt durch die Not der Zeit, komme ich bittend an Sie und an Ihren Bruder Adolf, dass Ihr bei guten Leuten die Not der von Hess’schen Waisenanstalt mitteilt und um eine Gabe bittet. Wenn nicht einige Deutsch-Amerikaner, gebürtige Hammelburger, der Anstalt den Dienst getan, hätten die armen Waisen in ihre Heimatgemeinden geschickt werden müssen. Die Ausgaben  für Nahrung allein sind enorm und steigen täglich; Schuhe unbezahlbar, die flicken wir selbst.

Für Wäsche und Kleider zu sorgen ist ganz unmöglich. Sehr notwendig brauchen die Kinder Schulkleidung. Einfacher Druckstoff kostet das mtr (Meter) schon viele Tausend; es langt nicht für den Mund.

Nehmt mir diesen Jammerbrief nicht übel. Zur Friedenszeit wussten wir in der Anstalt nichts von Not. Alle Privatleute, die von Zinsen leben müssen, sind sehr bedürftig. Frl. Tremer gestand mir unter Tränen: Wir waren reich und jetzt, wenn uns ein früheres Dienstmädchen nicht aus Amerika (Geld? Sachwerte?) schickte, fehlte es am Notwendigsten.

Verzeiht mir diesen Jammerbrief. Nehmt unsere herzlichen Grüße entgegen. Gott schütze Euch allzeit! Dies unser tägliches Gebet für Euch.

M. Berta Hörtensteiner, Oberin der Hess’schen Waisenanstalt


Die Trockenheit  des Jahres 1893 in Unterfranken,
wie sie sich in Berichten des
„Hammelburger Journal“ widerspiegelt


Das Wetter spielt verrückt

Das Jahr hatte mit unglaublicher Kälte eingesetzt. Über den vollkommen mit Eis bedeckten Main bei Lohr konnten Passanten gefahrlos spazieren, die Sinn war gar „bis zum Grunde“ gefroren. Im Aschaffenburger Raum folgerte man aus dem schlechten Zustand der Futterpflanzen die wenig tröstliche Aussicht auf einen großen Futtermangel im kommenden Frühjahr. „Da heißt es jetzt schon ordentlich einkaufen“, riet das Journal, „um die Thiere über den Winter zu bringen.“ Nur dort, wo eine geschlossene Schneedecke die Saaten schützte, konnte man weiterhin auf eine gute Ernte hoffen. Dennoch dauerte es noch ein paar Wochen, bis die steigende Nachfrage nach Heu den Preis in die Höhe trieb.

In Hammelburg stieg die seit Wochen anhaltende Kälte weiter. „Die Erde scheint ihre Stellung im Weltenraume verändert zu haben“, schrieb das Blatt. „Christiansund im hohen Norden meldet 4° Wärme und am Maine herrschen 33° Kälte.“ Vielen Bauern erfroren die Kartoffeln im Keller. Die Verfütterung gefrorener Kartoffeln und Rüben aber ließ das Vieh krank werden.

Entwarnung

Mitte Februar setzte frühlingshaftes Wetter ein. Aber der Landmann traute dem Wetter-Frieden nicht. Alte Bauernregeln drohten mit Kälte zu Ostern. Dann setzte freundliches Wetter ein. Die allgemeine Zuversicht, die der wohltuend warme Sonnenschein allenthalben geweckt hatte, erhielt ihren amtlichen Segen durch den „offiziellen Saatenstandsbericht“ vom 15. März: „Die Wintersaaten  berechtigen zu guten Hoffnungen,  Klee und Futterpflanzen versprechen guten Ertrag“. Der Regen blieb weiter aus.

Noch Anfang April freuten sich die Winzer und Bauern über die trockenen Tage; sie verhinderten Schaden durch den gefürchteten Nachtfrost. Die Beobachtung, „daß dieses Wetter dem Wachstum an Fütterung und Saaten bisher Stillstand brachte“, ist noch nicht Ausdruck einer Sorge, sondern Feststellung einer Gegebenheit, die, wie man hoffte, vom ersten Frühjahrsregen weggewischt würde. Das war am 15. April.

Die ersten Bedenken werden wach

Fünf Tage später kamen den Landwirten die ersten Bedenken. Noch möchte der Journalist das Gerücht nicht mittragen, „die anhaltende trockene und rauhe Witterung mindere die Aussichten zur neuen Ernte“.

Eine Woche später ist die Gefährdung der Landwirtschaft nicht länger zu leugnen. „Für die ganze Vegetation ist baldiger ausgiebiger Regen nothwendig“. Die Frühjahrssaat geht nur sehr langsam auf. In der Rhön fängt der Roggen an, „in Folge der trockenen Witterung ein sehr spitzes Aussehen zu bekommen. Sehr zu leiden haben die Kleefelder.“

Am 25. April beschlossen in Hammelburg die „vereinigten Wiesen-Wässerungs-Genossenschafts-Ausschüsse, die Wässerung der Saalewiesen wegen anhaltender Dürre einzusetzen.“

Sorgen und Zuversicht wechseln sich ab

Unauffällig und noch kaum spürbar reagierte der Getreidemarkt auf die bittere Prognose, daß immer noch keine Aussicht besteht auf den für die Saaten dringend notwendigen Regen: „Die Preise für Brodfrüchte und Hafer gingen etwas in die Höhe“. Auf den Schweinemarkt hat die Trockenheit noch keinen Einfluß: „Auch die Landleute der Umgebung kauften viel, weil es noch viele Kartoffeln zum  Füttern gibt“. Ein Zwang zum Verkauf bestand deshalb nicht.

In München wird die Gefahr, zu diesem Zeitpunkt durchaus zurecht, heruntergespielt: „Über die Saaten hört man zwar klagen, die meisten Berichte lauten jedoch dahin, daß, wenn es jetzt noch regnet, der Schaden nicht groß sein dürfte.“ Als wollte der Himmel diese Zuversicht belohnen, fällt um München bei Südwind  warmer Regen. Gleichzeitig vermeldet der Chronist: „an vielen Orten im Vorspessart den langersehnten Regen in ausgiebigster Weise.“

Ängste breiten sich aus

Nicht so in unserer engeren Heimat  und in der Oberpfalz: „Hier lechzt alles nach Regen; der Staub ist geradezu unerträglich“. Der Wassermangel läßt den Feuerwehren kaum noch Chancen, der aufgrund der allgemeinen Trockenheit häufigeren Brände Herr zu werden. Im April meldet das Journal innerhalb von 14 Tagen im Bezirk Hammelburg fünf Brände, davon drei Waldbrände. Die Hoffnung auf Besserung beginnt der Angst Platz zu machen. Man erinnert sich der Prophezeiung „des berühmten deutschen Astronomen Klinkerfues „(1827 - 84), daß wir mit dem Jahr 1893 in eine heiße und trockene Periode von 18 Jahren treten.“ Die Erinnerung an ähnliche Trockenjahre wird wach, wie das von 1822. Damals war vom Februar bis zum 13. Juli kein Niederschlag gefallen: „Es verdorrten alle Gräschen. Das Stroh war gelbweiß, wie gebleicht.“ In Gegenden, in denen spät gesät worden war, ernteten die Bauern nichts; die Saat war nicht aufgegangen. Man erkannte die Parallele zur Gegenwart: „Allerdings keine glänzenden Aussichten für die Landwirtschaft.“

Dem Hungerjahr 1817 in Bayern war ebenfalls eine große Trockenheit vorausgegangen. Folge war, „daß Wiesen und Äcker einer Sandwüste glichen, daß die Bäume lautlos ständig austrockneten. Das Vieh brüllte vor Hunger in den Ställen . . .“

Der Mai brachte keine Wetteränderung. Nur an den Rändern Unterfrankens sorgten hin und wieder Gewitter für kurze Erleichterung. Dem Maingebiet und der Rhön fehlten selbst sie. „Gras und Klee schwinden immer mehr, die Wiesen sehen wie abgesengt aus. Das einzig Schöne in den Fluren sind die Weinberge, welche sich ausnehmend kräftig und rasch entwickeln.“ Für die Bauern hier war das ein schwacher Trost. Vom Weinbau allein konnten sie nicht leben. Viehmast war einträglicher.

Dass die Natur unansehnlich geworden war beklagten auch die Kurgäste von Bad Kissingen: „ . . . da, wo sonst im Walde das Auge auf grünen saftigen Auen ruhte, da hat es nur dürre gelbe Flächen zu sehen . . .“


Der Futtermangel zwingt die Bauern zu Notverkäufen

Von Ende April an stieg auf dem Viehmarkt von Schweinfurt das Angebot an Rindern und Schweinen; die Preise gaben langsam nach. Die norddeutschen Viehgroßhändler warteten ab. Nur kräftige und junge Tiere konnten zum alten Preis verkauft werden. „Geringe Ware war wegen der herrschenden Futternoth fast nicht verkäuflich und mußte weit unter Preis abgegeben werden.“

Dieselbe Tendenz war auf den kleinen regionalen Viehmärkten zu beobachten. In Hammelburg war das Geschäft mehr als flau, „weil der eigentliche Viehhandel wegen Futternoth gänzlich darniederliegt und sich das ganze Geschäft auf den geringen Bedarf in Schlachtvieh beschränkt. Rinder und Schweine gingen im Preise ganz erheblich zurück“. Zur gleichen Zeit war in Schweinfurt nur noch „Export-Waare“ gesucht, „und hoch im Preise, schöne schwere Zugochsen. Dagegen war Schlachtvieh selbst besserer Qualität günstig zu kaufen.“ Am 14. Juni „sanken außer für schöne schwere Thiere die Preise so tief, wie noch niemals. Kühe spottbillig, es wurden Stücke um 50, 30, ja selbst 20 Mark losgeschlagen“. Für Ochsen 1.Qualität wurden immerhin noch 1072 - 1148 gezahlt. „Die äußerst niedrigen Preise, selbst für schöne Stiere, veranlaßten die norddeutschen Käufer, auch diese in großen Parthien aufzukaufen und das war gleichsam noch ein Glück, denn ohne den Aufkauf zur Ausfuhr wäre kaum ein Käufer zu finden gewesen, da in den umliegenden Gauen alles verkaufen will und Niemand kaufen kann. Leider wird durch diesen nothgedrungenen Massenverkauf - es wird fast kein Kalb zur Aufzucht zurückbehalten, alle werden selbst zu Spottpreisen verkauft - der schöne Viehstand in hiesiger Gegend derart dezimirt, daß daraus für die nächsten Jahre die schlimmsten Folgen entstehen werden.“.

Wirtschaftliche Folgen für Hammelburg

Im Dezember 1890 hatte Hammelburg (2889 Einwohner) einen Viehbestand (1892) von 789 Rindern und 478 Schweinen. Die Stadt allein, ohne Ortsteile.

Am 1. Dezember 1893 ergab die Viehzählung für Hammelburg 129 Rinder und 63 Schweine weniger als im gleichen Monat des Vorjahres. Im ganzen Amtsbezirk nahm der Viehstand um 2653 Rinder und 1885 Schweine ab. Die langsame Steigerung des Mastviehbestandes im vorausgegangenen Jahrzehnt um 905 Rinder und 1026 Schweine war zunichte gemacht.

Über den Gänsemarkt in Schweinfurt am 21. Juni heißt es im Journal, er sei so stark wie ein Martinimarkt bestellt gewesen. Der Futter- und Geldmangel auf dem Lande zwang die Bauern, schon jetzt ihr Geflügel zu verkaufen. „Die Preise stellten sich sehr niedrig auf 1 - 1,30 Mk, für ganz schöne Gänse auf 1,50 Mk pro Stück.“ Das entsprach genau dem Preis für ein großes und ein kleines Päckchen „Rattentod“ in der Drogerie.

Preisanstieg auf dem Getreidemarkt

Auf dem Getreidemarkt beobachten wir die entgegengesetzte Entwicklung. Am 22.April ist trotz gewachsener Nachfrage eine Preissteigerung noch nicht eingetreten, „da noch große Vorräte lagern und die Wintersaaten durch die anhaltend große Trockenheit und Nachtfröste bis jetzt noch nicht gelitten haben, im Gegentheil noch sehr schön stehen“.

Dann aber ziehen die Preise an: bis Anfang Juli für Weizen pro 100 Kilo von 16 Mark auf 17,75, für Roggen von 13,60 auf 15,75, für Hafer gar von 14 auf 20 Mark. Der Preisanstieg verschärfte die Not der Bauern, deren geringe Erlöse aus dem Viehverkauf vielen einen Ankauf von Futtermitteln unmöglich machte.     

Die Preise des Heus, meldet Ebern, „haben eine exorbitante Höhe erreicht: der Zentner kostet 5, 6, 7, ja 10 Mark, wenn solches überhaupt noch zu haben ist. . . Der Klee, der jetzt gemäht werden sollte, ist nicht handhoch und steht da ein armseliges Büschchen und dort wieder eines“.

Laubverfütterung

„Die Wiesen sind wie versengt; wie kann da der Bauernstand sein Vieh durchbringen? Er schneidet das Getreide ab und füttert damit. Und im Herbste hat er nichts. Es wäre ja so zu Grunde gegangen, also verfüttert. In dieser schweren Noth bleibt nichts anderes übrig, als Laub zu füttern und wimmeln deßhalb unsere Gemeindewaldungen von Laub zupfenden Kindern und Erwachsenen, die in Säcken das wirklich gute und auch nahrhafte Futter emsig nach Hause schleppen

Die Not breitet sich aus

Die Not beschränkte sich nicht auf die Landbevölkerung. In Lohr verzichteten die Aktiven des Gesangvereins schweren Herzens auf ihr Vorhaben, Ende Juli das 50jährige Stiftungsfest zu feiern: „Die durch die anhaltende Dürre stetig zunehmende Noth in vielen Bevölkerungskreisen, die selbstverständlich in zunehmender Weise auch einen empfindlichen Rückgang für alle Geschäfte zur Folge hat, ist . . Veranlassung geworden, die Unterlassung der mit großen Kosten verknüpften Feier ins Auge zu fassen

Pachtkosten für Wiesen steigen

Am 3. Juni informierte der Hammelburger Magistrat die Leser des Journals durch Inserate, daß am 5. und 12. Juni städtische und Stiftungswiesen öffentlich verpachtet würden, ein bedeutsames Ereignis bei der wachsenden Futternot. Pro Morgen brachte die Verpachtung 80 - 120 Mark, fast das doppelte der Einkünfte in anderen Jahren. Ein späterer Bericht ergänzte, „daß für einzelne bessere Wiesen bis zu 175 Mark Pacht pro Morgen erzielt wurden, also fast der dreifache Betrag der früheren Durchschnittspreise“. Für manche Pächter müssen diese hohen Kosten ein kaum noch tragbares finanzielles Opfer gewesen sein; aber die Alternative dazu war, Vieh zu Spottpreisen zu verkaufen. Verständlich deshalb die Überlegung, die damals heftig diskutiert wurde: „Wäre es angesichts solcher Thatsachen nicht geradezu nothwendig, daß sich die Milchproduzenten über Erhöhung der Milchpreise einigen? Recht und Billigkeit einer Preiserhöhung wird wohl niemand absprechen können“.

Selbstmord aus Verzweiflung

Anfang Juni war für einzelne Landwirte das Elend buchstäblich nicht länger tragbar: „In Wiesenthal bei Lengfeld hat sich am 1. Juni ein Landwirth, weil er sein Vieh nicht mehr zu ernähren vermochte, aus Verzweiflung erhängt“. Vierzehn Tage später meldet das Journal, daß sich in der Gegend von Ebern in kurzer Zeit drei Bauern aufgehängt haben, „da sie durch die herrschende Futternoth den Untergang ihres ganzen Hausstandes befürchteten und geistesgestört wurden“


An guten Ratschlägen fehlt es nicht

Jetzt spätestens drängt sich die Frage auf: Hat denn niemand diesen armen Menschen geholfen?

Die billigste Form der Unterstützung sind gute Ratschläge, doch selbst sie ließen auf sich warten. Ein „landwirtschaftlicher Sachverständiger“ verbreitete sich so enthusiastisch über den Nutzen von Kunstdünger, der in den verschiedensten Zusammensetzungen für jede Art von Boden und Pflanze Verbesserung verspreche, daß seine geschäftlichen Interessen unübersehbar sind.

Mitte Juni wurde aus München „darauf aufmerksam gemacht, daß die südafrikanischen Bauern das Fleisch zu Zeiten des Fleischüberschusses für knappere Zeiten zu konservieren verstehen. Sie schneiden dasselbe gleichlaufend  mit den Fasern in zolldicke Streifen, die sie in Salz rollen, alsdann in der Sonne aufhängen und trocknen . . . bis es eine unserem Rauchfleisch ähnliche Konsistenz erhält“.

Als Futtermittelersatz empfahl das „Hammelburger Journal“ Reisfuttermehl. „Dasselbe muß mit kaltem Wasser angerührt, dann aber alsbald mit siedend heißem Wasser gebrüht und tüchtig gerührt werden“, keine leichte Zubereitung. Das Blatt ergänzte mit diesem Rezept ein Inserat des Hammelburger Kaufmanns A. Schmal: „Prima Reisfuttermehl - zu äußerst billigem Preise“.

Gleichzeitig wurde „von vielen Seiten auf die neue Futterpflanze, die Waldblatterbse, hingewiesen, die . . . auch bei trockenstem Wetter reiche Futtererträge liefert“. Sie sei „die Pflanze der Zukunft, durch die jede Futternoth beseitigt wird“. Die des Jahres 1893 hat sie nicht beseitigt, nicht einmal gelindert.

Nachbarschaftshilfe

Es gab auch Nachbarschaftshilfe. Nur ist, wenn es allen schlecht geht, ein hilfsbereiter und zur Hilfe fähiger Nachbar schwer zu finden. Aber es gab sie: Albertshausen erhielt aus dem Gemeindevermögen eines Nachbarortes „ein Kapital von 20 000 Mark zu creditiren, da bei all’ derartig schweren Zeiten die Selbsthülfe vor Allem zuerst eingreifen müsse. In Albertshausen (ist) die Futternoth so groß, daß wenn nicht alsbald Abhilfe getroffen (wird) selbst das Anspannvieh abgeschafft werden müßte“.    

Als großzügiger Helfer gehört auch der Herzog von Meiningen erwähnt: „ . . . in Folge der Futter-noth (hat er) angeordnet, daß von seinen 600 Hirschen 400 abgeschossen werden und . . . die Abgabe von Futterersatz aus dem Walde und Streu genehmigt . . . Zugleich spendete derselbe 30 000 Mark zur Abhilfe des Futtermangels“.

Laubfutter

Im Laubfutter sahen die Bauern einen brauchbaren Heuersatz. Nach Meinung eines Forstamtes sol-len „120 Kilogramm Laubfutter . . . 100 Kilogramm mittlerem Wiesenheu gleichwertig sein“. Am 27. Mai wurde vom königlichen Staatsministerium der Finanzen „die Abgabe von Streu, Streusurrogaten und Gräsern auf geräumten Schlägen, unbestockten Flächen etc. und die Gestattung der Waldweide im Interesse der Landwirthschaft thunlichst erleichtert“.

Aber so ganz wollte der Staat auf das Geschäft mit der Waldstreu nicht verzichten. Als das Kreiskomitee des landwirtschaftlichen Vereins in Würzburg die kostenlose Abgabe von Waldstreu forderte oder doch wenigstens eine Ermäßigung auf 50 Pfennig pro Raummeter, verstand sich Vater Staat nur auf eine Preisreduzierung von 40 %, von 1,90 Mark auf 1,10 Mark. Das von der Regierung selbst gewünschte Entgegenkommen schloss nicht aus, daß eifrige Waldaufseher, wie nahe dem von der Not besonders gebeuteltem Albertshausen, „den armen Leuten das gesammelte Laub abgenommen und in einer Scheune (zu Aura) hinterlegt“ haben, „wo es sehr bald verfaulte, während zu Hause (in den Ställen) das Vieh vor Hunger brüllte“.

Klagen der Forstleute

Manchmal scheinen auch Bauern auf der Suche nach dem begehrten Futter im Walde des Guten zuviel getan zu haben. Forstämter klagten, daß die „aus den Waldungen gewährten Nutzungen in einer höchst rücksichtslosen, die Bestände ohne jeden dringenden Grund schädigenden Weise ausgeübt werden“. Und wie aus dem Spessart gemeldet wurde, konnte das „Grasen“ im Walde unberechenbare Nebenwirkungen haben: „Unter der Sichel fallen auch alle Beersträucher, so daß die heurige Ernte in Erdbeeren und Heidelbeeren gleich Null ausfallen wird“.

Dass die Übergriffe der verzweifelten Bauern weit verbreitet gewesen sein müssen, zeigt das Gnadengesuch, das der 1. Vorstand des Fränkischen Bauernbundes, Freiherr Carl von Thüngen, im August an Seine kgl. Hoheit den Prinzregenten gerichtet hat, „um eine allgemeine Amnestie für alle wäh-rend der Dauer der Futternoth wegen Futter- und Streufrevel Gerügten zu erwirken“.

Die Laubentnahme aus den Wäldern traf auch auf Bedenken allgemeiner Art. Forstleute waren der Meinung, „der Wald brauche das, was er produziere, zu seiner eigenen Ernährung“. Dagegen behauptete ein Leserbrief an die „Aschaffenburger Zeitung“, daß Untersuchungen im Badischen zu dem Ergebnis geführt hätten, Waldungen entwickelten sich dann am schönsten, wenn ihnen häufig das Laub entnommen würde. Schon wenige Tage später wurden diese „Erfahrungen . . . in schärfster Weise“ zurückgewiesen. Dieser Schreiber, wohl ein Förster, sieht das genaue Gegenteil für erwiesen an, kommt aber zuletzt zu dem ausgewogenen Urteil: „So ungern der Forstwirth die Waldstreu, diesen natürlichen Dünger unseres Waldes und hochwichtigen Faktor seiner Erhaltung, abgibt - im heurigen ausgesprochenen Nothjahr bietet er bereitwillig die Hand dazu, denn der Wald ist nicht Selbstzweck, sondern er soll dem Wohl der Menschen dienen, soviel er kann“.


Die Obrigkeit wird tätig

Die erste regionale administrative Maßnahme betraf „Tanzmusiken“. Das Bezirksamt Hammelburg verfügte, daß „wegen der ungünstigen Verhältnisse sowie mit Rücksicht auf die Erntearbeiten in der Zeit vom 18. Juni bis 15. September Tanzmusik-Bewilligungen vom Amte nicht ertheilt würden“. Das hat freilich auch nicht die Futternot gelindert, noch den Bauern geholfen, sie wenigstens vorübergehend zu vergessen.

Wegen der hohen Zahl von Kavallerie- und Zugpferden in der Armee, vor allem für den Transport von Geschützen und Munitionswagen, verfügte das Kriegsministerium über eigene „Mahl-Mühlen“; deren Anfall an Kleie wurde nun der Landwirtschaft mit einem Preisnachlaß von 10 Prozent angeboten. Noch vor dem Juli war sie bereits bis einschließlich September vergeben. Der Staat nahm auch auf den Geldmangel der Käufer Rücksicht, indem er bis Ende Oktober auf Antrag „eine Stundung der Bezahlung gewährte, wenn das landwirtschaftliche Bezirkskomitee die Haftung übernimmt“.

Als hochwertiges Futtermittel begehrt waren Schlempe und Treber, Nebenprodukte der Branntweinherstellung, die kontingentiert war und in anderen Jahren am 30. Juni endete. Die landwirtschaftlichen Kreiskomitees stellten bei der Regierung den Antrag, die Beschränkungen aufzuheben, damit den Bauern weiterhin diese Futtermittel angeboten werden könnten.

Zu den ersten staatlichen Maßnahmen gehörte auch, „daß im inneren bayerischen Verkehre bei Aufgaben von Wagenladungen Futtermittel, Kartoffeln, Samen und Sämereien sowie Heu und Stroh zu den um ein Drittheil ermäßigten Sätzen der normalen Fracht befördert werden, soferne . . . die bezogenen Gegenstände zur unmittelbaren Verwendung für landwirthschaftliche Zwecke bestimmt sind“. Später wurden die Transportkosten auf 50 Prozent der alten Tarife ermäßigt und die Frachterleichterung bis Ende Oktober 1893 verlängert.

Die Frachtrückvergütung, von den Bahnkunden dringend gebraucht und deshalb sehnsüchtig erwartet, wurde für manche eine Enttäuschung, weil sie nicht beachtet hatten, daß die Ermäßigung nur für die bayerischen Bahnen galten und die „bayrische Staatsregierung über Frachten außerbayerischer Eisenbahnen nicht verfügen kann“; sich aber wahrscheinlich auch nicht um ihr Entgegenkommen bemüht zu haben scheint.

Kritik an den Hilfsmaßnahmen 

Gemessen an der Größe der Not, waren diese staatlichen Maßnahmen nur Stückwerk, und zurecht hatte man den Eindruck, daß sie nicht ausreichten, die Verelendung der Bauern aufzuhalten oder gar den Landwirten wieder auf die Beine zu helfen. In einem Leserbrief an das „Schweinfurter Tagblatt“ stellt der Verfasser die rhetorische Frage: „Wäre es nicht angezeigt, daß seitens der Staatsregierung durch Abgabe von Futter aus Gegenden, wo die Preise noch nicht so hoch sind, oder durch die Bewilligung von Mitteln aus Staatsfonds für wenig bemittelte Gemeinden oder sonst wie, schleunigst Maßregeln ergriffen werden, um diesem Nothstand entgegen zu wirken? Wenn nichts geschehen wird, werden viele Landleute den Wucherern in die Hände fallen“.

Zu schnellerem Handeln mag die Regierung aber eher die Beobachtung bewogen haben, daß „in den nothleidenden  Gegenden . . . beim Bauernstande eine sehr bedenkliche Gährung“ herrscht, „so daß die Regierung allen Grund hat, ebenso rasch als gründlich einzugreifen und die Misere, soweit dies in ihrer Macht liegt, abzustellen“. Ein Schweinfurter hat bei der Reichstagswahl am 15. Juni 1893  auf seinem Wahlzettel die Situation  in einem Vierzeiler so charakterisiert:

                                           Die Scheunen leer,
                                            Keine Ernte mehr,
                                          
Man kann sich nicht mehr rathen
                                           Und immer mehr Soldaten
“.

Das „Hammelburger Journal“ sieht eine echte Hilfe vor allem „im energischen Eingreifen des landwirthschaftlichen Kreiskomitees“ und seinem Bemühen, für die Landwirte verhältnismäßig billige Futtermittel zu beziehen, „um zunächst über die schlimmste Zeit der Noth hinauszukommen“. Bei ihnen seien „die vorbereitenden Arbeiten bereits abgeschlossen“ gewesen, „als man endlich von anderer Seite  (gemeint ist wohl die Regierung) mit großen Worten anfing, Hilfe gegen die Futternoth zu verlangen

Rettungsaktionen laufen an

Am 25. Juni wurden in Würzburg ca. 100 Waggons Futtermittel und Mais bestellt. Aus Tirol und Holstein wurde Heu bezogen. Allein aus Ebern wurde vom landwirtschaftlichen Bezirksverein 2000 Zentner Futterkleie, 1000 Ztr. Mais, 1000 Ztr. Futterstroh und 1000 Ztr. Torfstreu zu sofortiger Lieferung bestellt. Anfang Juli waren selbst aus Amerika „zahlreiche mit Heu beladene Dampfer“ nach Deutschland unterwegs.

Der Verkauf von Heu und Stroh nahm solche Ausmaße an, daß „in Nieder- und Oberbayern gar wegen des ungeheuren Heu- und Strohversandts Sorge für das Frühjahr herrscht“.

Einer weiteren Verknappung von Futtermitteln sollte auch das Ausfuhrverbot für Heu und Kleie vorbeugen, das am 3. Juli vom Bundesrat beschlossen und sofort in Kraft gesetzt wurde. Ende Juli erholte sich der Markt für Rinder und Schweine. Aus Scheinfeld wurde gemeldet: „Die Preise gingen durchweg bedeutend in die Höhe und näherten sich dem früheren Stand . . . in Folge des wohl allerwärts eingetretenen durchweichenden Regens (ist) von der noch vor einigen Wochen stattgehabten kopflosen Verschleuderung des Viehes keine Rede mehr“. In der Verringerung des Viehbestands sah man jetzt eher eine Rückkehr „in den früheren richtigen normalmäßigen Stand“, nachdem „von großen sowohl als kleinen Oekonomen  in Folge der letzten guten Futterjahre überall viel mehr, häufig auch zuviel Vieh gehalten“ worden war.     

Verbilligtes Stroh war ausschließlich für Bedürftige gedacht. Deshalb wies das „Hammelburger Journal“ „die besser situirten Landwirthe“ auf einen Getreidehändler im österreichischen Schärnding hin, von dem sie Roggen- und Weizenstroh in guter Qualität beziehen könnten. Der Zentnerpreis für dieses Stroh übertraf allerdings den für Kartoffeln auf dem Schweinfurter Viktualienmarkt um fast 50 Prozent.

Am 23. Juni wurde den Landwirten ein unverzinslicher Kredit zum Kauf von Futterpflanzen, Futtermais, Futterkleie und Sämereien in Aussicht gestellt. Rückzahlungstermin für Sämereien war bereits der 1.Januar 1894, für das Futter galt der 1.Juli 1894. Die Knappheit der Zeitspannen für die Schuldentilgung spricht nicht dafür, daß die Regierung die Notlage der Bauern realistisch eingeschätzt hat. Im September ließ die bayerische Regierung verlauten, es hätten die „von der Staatskasse an die Landwirthe gewährten Darlehen und Vorschüsse den Betrag von nahezu zwei Millionen Mark“ erreicht. „Diese sämtlichen Darlehensgelder sind unverzinslich und auf viele Jahre hinaus gestundet, während sich andere deutsche Staaten zwei und drei pCt.(Prozent) Zins zahlen lassen“.

Nicht von der Futternot veranlaßt war im Juni eine Neufassung des sogenannten Wuchergesetzes verkündet worden, das aber „unter Umständen bei der jetzigen Nothlage der Landwirthschaft wird angewandt werden können“. „Wenn Händler die augenblickliche Lage der Klein- und Großbauern dazu mißbrauchen wollen, ihm sein Vieh für lächerliche Schleuderpreise abzukaufen, so fällt das unter die Gesetzesbestimmung“.


Verzicht auf Manöver

Unterfranken, vor allem die Gegend von Gerolzhofen, war traditionell  Schauplatz der jährlichen Herbstmanöver der Kavallerie. Den Quartiergebern, die kaum für sich und ihr Vieh etwas zum Beißen besaßen, wollte man die übliche Verpflegung der einquartierten Männer und Pferde nicht für die ganze Dauer der Übung zumuten und sah deshalb, in einer Entscheidung vom 19. Juni, Verpflegung aus den militärischen Magazinen vor, zumindest vom zweiten Tag an. Zehn Tage später wurden die Manöver ganz abgesagt, was auch von Wilhelm II., dem deutschen Kaiser, uneingeschränkt gutgeheißen wurde.

Behandlung der Futternot im Bayerischen Landtag

Ein großes Interesse des Landtags an den Folgen der langen Trockenheit läßt sich dem Journal nicht entnehmen. Der von den „fränkischen Provinzen“ Mitte Juli geäußerte Wunsch nach einer „außerordentlichen Session behufs Berathung und Beschlußfassung über die staatlichen Unterstützungsmaßregeln“ fand nicht die Billigung des Innenministers. „Die Regierung werde so viele Mittel, als der Reihe nach vorhanden (was immer auch das heißen mag), dem Bauernstand zur Verfügung stellen und sich später vom Landtage nachträglich Genehmigung dafür ertheilen lassen“. Angesichts der Klagen „über nicht geliefertes Stroh“ weiß der Regierungspräsident nur den Rat, „die Landwirthe müßten eben etwas haushälterisch mit ihrem Vorrath umgehen“.

Die Folgen trafen letztlich die Kleinen

Trotz aller Hilfsmaßnahmen wurde dieser Winter für die Bauern eine sehr harte Zeit: Strohlieferungen kamen zu spät, weil die Verantwortlichen bis zum Jahreswechsel die Not unterschätzt hatten; manche Bestellungen von Futter- und Streumitteln mußten erst noch auf die Mittelbewilligung durch die Regierung warten und - wie zu allen Zeiten - Geschäftemacher suchten sich auf Kosten der Notleidenden zu bereichern: Sie mischten den Kraftfuttermitteln „Sand, gemahlene Steine, Erde und dgl“ bei.

   Der Gerichtsvollzieher ist jetzt in der Zeit der Noth leider eine vielbeschäftigte Person“.

Die Meldungen über die Futternot wurden in der ersten Monaten des neuen Jahres seltener, was eine Fortdauer der Not nicht ausschließt, bis plötzlich - wir sind schon in der Mitte des Monats April 1894 -erneut über Regenmangel geklagt wird: „Das Land schreit nach Regen .“ Beobachter finden erschreckende Parallelen zum Katastrophenjahr 1893..

Die Sorgen bleiben      

Zum Glück bewahrheiten sich die Befürchtungen nicht. Am 17. April 1894 meldet das Journal, daß sich durch den Regen der letzten Tage die Aussichten, „bald Grünfutter in genügenden Mengen zu bekommen, erheblich günstiger gestaltet haben, wodurch es vielen Oekonomen möglich werden wird, ihren jetzigen Viehstand auch ferner zu erhalten“.

Die Bauern konnten aufatmen. Zwar waren die Schäden groß, die akute Gefahr aber für ihre Existenz war gemeistert. Auf wie lange? Das konnte bei ihrer Abhängigkeit vom Wetter niemand sagen.

                                                                                                                           Dietmar Katzer

   (Ich danke Herrn Härdle vom Hammelburger Stadtarchiv für seine freundliche Unterstützung.)

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